Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

41, 2015/2

Italo Birocchi - Ennio Cortese - Antonello Mattone - Marco Nicola Miletti (ed.)

Dizionario biografico dei giuristi italiani

Review by: Maurizio Cau

Editors: Italo Birocchi - Ennio Cortese - Antonello Mattone - Marco Nicola Miletti
Title: Dizionario biografico dei giuristi italiani
Place: Bologna
Publisher: Il Mulino
Year: 2013
ISBN: 978-88-15-24124-5

Reviewer Maurizio Cau - FBK-ISIG

Citation
M. Cau, review of Italo Birocchi - Ennio Cortese - Antonello Mattone - Marco Nicola Miletti (ed.), Dizionario biografico dei giuristi italiani, Bologna, Il Mulino, 2013, in: ARO, 41, 2015, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2015/2/unter-der-leitung-von-italo-birocchi-e-maurizio-cau/

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Auf dem Gebiet der Rechtsgeschichte scheinen biographische Lexika in der letzten Zeit einen gewissen Boom zu erleben. Nach den Repertorien, die in den Achtziger- und Neunzigerjahren im deutschen Sprachraum veröffentlicht wurden (W. Brauneder, Juristen in Österreich 1200-1980, Wien 1987; M. Stolleis, Juristen: ein biographisches Lexikon von der Antike bis zum 20. Jahrhundert, München 1995) erschienen das Diccionario crítico de juristas españoles, portugueses y latinoamericanos (hispànicos, brasileños, quebequenses y restantes francófonos), herausgegeben von Manuel Juan Peláez (Zaragoza-Barcelona 2005-2012) und das Dictionnaire historique des juristes français (XIIe-XXe siècle) unter der Leitung von Patrick Arabeyre, Jean-Louis Halpérine und Jacques Krynen (Paris 2007). Hinzu kommen ähnliche Unternehmungen anderen Zuschnitts, wie das Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, herausgegeben von Albrecht Cordes, Hans-Peter Haferkamp, Heiner Lück, Dieter Werkmüller und Ruth Schmidt-Wiegand (Berlin 2004-), das zahlreiche biographische Profile von Juristen umfasst, ferner der achte Zusatzband der Enciclopedia Italiana zu Il contributo italiano alla storia del pensiero. Il Diritto, herausgegeben von Paolo Cappellini, Pietro Costa, Maurizio Fioravanti und Bernardo Sordi (Rom 2012), das ebenso reich an juristischen Lebensbildern ist, oder das kürzlich erschienene Buch Staatsrechtslehrer des 20. Jahrhunderts: Deutschland – Österreich – Schweiz, herausgegeben von Peter Häberle, Michael Kilian und Heinrich Amadeus Wolff (Berlin 2014). In diesem weiten Feld kommt dem Dizionario biografico dei giuristi italiani unter Leitung von Italo Birocchi, Ennio Cortese, Antonello Mattone und Marco Nicola Miletti, eine besondere Bedeutung zu, welches mit staatlicher Finanzierung (MIUR/PRIN) erscheinen konnte.

Um den Reichtum des biographischen Materials wiederzugeben, welches die Rechtsgeschichte vom 12. bis zum 20. Jahrhundert umfasst, würde allein schon ein Hinweis auf die beeindruckende Anzahl von Einträgen (2159) und mitarbeitenden Autoren (699) genügen. Der Wert dieser Publikation bemisst sich allerdings keineswegs in der Quantität, sondern mit Blick auf seinen Ansatz. Sein erklärtes Ziel besteht nicht nur darin, das umfassendste Nachschlagewerk zu jenen Autoren zu sein, welche die Rechtsgeschichte des Landes geprägt haben, es besteht auch – oder vor allem – in einer synthetischen Darstellung «der Parameter, innerhalb derer Recht geschaffen wird». Das biographische Nachschlagewerk in der Organisationsform des Lexikons wird so zu einem Instrument, um die Rechtsgeschichte im ganz Eigentlichen zu verfolgen. Die Biographien werden zu einem Leitfaden, anhand dessen die Entwicklungen abgelesen werden können, welche die Rechtskultur in Italien neun Jahrhunderte hindurch geprägt haben. Um es mit einem der Herausgeber, Italo Birocchi, zu formulieren, wird das Buch zu einer «doppelt fokussierten Linse, die es ermöglicht, einerseits die Person zu erfassen, und es andererseits gleichzeitig erlaubt, ihr Werk im Entstehungskontext zu sehen und aus ihm heraus seine Bedeutung zu verstehen».

Auffallend ist zunächst der Raum, der Juristen aus dem Bereich der Zeitgeschichte eingeräumt wird. Sie machen 56% der Biographien aus (15% thematisieren mittelalterliche Juristen, 29% Juristen der Neuzeit). Die Wahl, auf Biographien der neuesten Geschichte des italienischen Rechtslebens abzuheben, stellt eine klare Richtungsentscheidung der Herausgeber dar: jene, die Herausforderungen angehen zu wollen, welche mit der Historisierung von Vorgängen der landesweiten Rechtskultur bis heute verbunden sind. Dadurch wird ein enger Dialog mit dem gegenwärtigen Recht in seinen differenziertesten kulturellen und wissenschaftlichen Ausprägungen angestrebt.

Die nachhaltigsten Entscheidungen, die ein Herausgeber jedes Nachschlagewerkes zu treffen hat, bestehen jedoch nicht nur in der Festlegung von termini a quo und ad quem in Bezug auf eine chronologische Rahmung, sondern auch in der Auswahl der biographischen Lemmata. Selbstredend ist die Auswahl nicht so schwer, was «große» Juristen angeht, jene Rechtsgelehrter also, die im Laufe der Jahrhunderte die juristische Kultur am stärksten geprägt haben. Die Schwierigkeiten der Auswahl betreffen die so genannten «kleinen» Juristen. Oft handelt es sich um Rechtspraktiker, deren Ruf nicht bis hin zu größeren wissenschaftlichen Kreisen geschallt ist, die aber aus mehreren Gründen eine gewisse Bedeutung für ein historiographisches Unternehmen haben, das sich zum Ziel gesetzt hat, die verschiedenen Ausprägungen der juristischen Kultur möglichst breit und differenziert zu repräsentieren. Das Auswahlkriterium des zu besprechenden Bandes ist die «Repräsentativität» der Lebensläufe jener Individuen, die nicht nur auf theoretischer Ebene die juristische Kultur des Landes geprägt haben. In der Tat wird den Rechtspraktikern großer Raum gegeben, besonders großer den Richtern.

Das Buch enthält also weniger eine große Anzahl der repräsentativsten Persönlichkeiten der juristischen Kultur Italiens, es legt stattdessen eine strukturierte Auswahl vor, die es anhand der einzelnen biographischen Profile gestattet, Themen und Wendepunkte der Rechtsgeschichte Italiens nachzuvollziehen. Die Struktur des Lexikons spiegelt diesen Gedanken wider: Neben den «giuristi costruttori», die die großen Linien der rechtsgeschichtlichen Entwicklung geprägt haben (ungefähr 15% des Bandes), wird jenen Juristen breiter Raum gegeben, die mit ihrer Originalität «ein verbindendes Netzwerk gebildet haben, sei es aufgrund der Entwicklung von Rechtslehren, des Gebrauchs eines literarischen Genres, ihrer anerkannten Autorität innerhalb einer Disziplin oder Relevanz als Organisatoren der juristischen Kultur» (ungefähr 65%), und zudem jenen Juristen, die auf spezielleren Gebieten bedeutsam waren (ungefähr 20%).

Das Lexikon ist ein fundamentales Nachschlagewerk nicht nur für ein Spezialpublikum, sondern auch für eine breitere Leserschaft, für jeden der anhand von Akteursbiographien die Entwicklungslinien der juristischen Kultur Italiens nachvollziehen will. Es handelt sich selbstverständlich nicht um eine lineare Entwicklung, innerhalb derer die Themen und verschiedenen theoretischen Ansätze gemeinsam zu erfassen sind. Durch die Untersuchung der kulturellen Zusammenhänge, deren Wortführer die Juristen waren, erlaubt das Nachschlagewerk jedenfalls (wenn es daraufhin befragt wird), Verbindungen, Horizonte, Spannungsfelder und Palimpseste zu erkennen, die kein traditionelles Werk in derselben Klarheit verdeutlichen kann. Wie die Herausgeber unterstreichen, will das Lexikon folglich als ein Netz verstanden sein, welches insgesamt genom- men die Komplexität und den Reichtum einer jahrhundertelangen Entwicklung erkennbar macht, und zugleich den persönlichen und eigenen Charakter ihrer bekannteren und weniger bekannten, bedeutenderen und weniger bedeutenden Protagonisten.

In unserem heutigen kulturellen Kontext, der durch die immer stärkere Überwindung traditioneller geographischer Grenzen in der Geschichtswissenschaft geprägt ist, kann der «nationale» Zuschnitt des Werks rückwärtsgewandt, wenn nicht gar überkommen wirken. Dies ist ein offensichtliches Risiko, doch die Qualität und die Relevanz des Unternehmens erleiden dadurch keinen Abbruch. Mit Originalität füllt es eine Lücke in der wissenschaftlichen und herausgeberischen Landschaft Italiens. Die trans- und supranationalen Ansätze in der Geschichtswissenschaft, die in der internationalen rechtsgeschichtlichen Kultur immer mehr Fuß fassen, können von einem Unternehmen wie diesem nur profitieren, dem Anerkennung durch jeden Erforscher der Geschichte gilt.

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