Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

41, 2015/2

Raoul Pupo (ed.)

La vittoria senza pace

Review by: Diego D’Amelio

Editors: Raoul Pupo
Title: La vittoria senza pace. Le occupazioni militari italiane alla fine della Grande guerra
Place: Roma - Bari
Publisher: Laterza
Year: 2014
ISBN: 97888-581-1181-9

Reviewer Diego D’Amelio

Citation
D. D’Amelio, review of Raoul Pupo (ed.), La vittoria senza pace. Le occupazioni militari italiane alla fine della Grande guerra, Roma - Bari, Laterza, 2014, in: ARO, 41, 2015, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2015/2/la-vittoria-senza-pace-le-occupazioni-m-diego-damelio/

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Anlässlich des Gedenkens an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren sind in Italien viele historische Veröffentlichungen zu seinen Voraussetzungen und Entstehungsbedingungen, zur Rolle Italiens im Krieg und zu dem so genannten «Guerillakrieg» erschienen. Im Rahmen dieser Studien, die natürlich nicht alle dasselbe Niveau haben und von denen viele eher anlassgebunden als zum Zwecke der Füllung einer Forschungslücke entstanden sind, nimmt der von Raoul Pupo herausgegebene Band La vittoria senza pace. Le occupazioni militari italiane alla fine della Grande Guerra insofern eine besondere Stellung ein, als dass er den Fokus auf das «Danach» legt, also auf den Übergang von der Kriegs- zur Nachkriegszeit. Hinter dieser Entscheidung steht nicht der Wille des Autors und des Verlags, Originalität zu beweisen und so eine Nische in dem gesättigten Markt zu erobern, sondern ein wohlüberlegtes und seriöses wissenschaftliches Projekt.

Der Text basiert in der Tat auf einer umfassenden gemeinschaftlichen Recherche zur militärischen Rolle Italiens nach dem ersten Weltkrieg, die vom Istituto regionale per la storia del movimento di liberazione nel Friuli Venezia Giulia und vom Südtiroler Landesarchiv in Bozen gefördert wurde. Die ersten Ergebnisse dieser Arbeit wurden im Jahr 2009 in Gestalt des Sonderbandes 256-257 der Zeitschrift «Italia contemporanea» präsentiert, und in demselben Jahr wurde im Rahmen der «Cantieri di storia» Sissco (Società italiana per lo studio della storia contemporanea) ein Panel abgehalten, in dem der Herausgeber des Bandes und einige seiner Autoren das italienische Heer nach dem ersten Weltkrieg behandelten. Der vorliegende Band kann als Synthese dieser Forschungsaktivitäten gelten und bietet zugleich einen anregenden Vergleich der beteiligten Regionen: Raoul Pupo beschäftigt sich mit dem Thema der italienischen Besatzung des Adriaraumes (Julisch Venetien und Dalmatien), Andrea Di Michele widmet sich dem österreichischen Raum – sowohl den für die Annexion vorgesehenen Territorien wie Trient und Bozen als auch dem Kerngebiet des neuen Österreich (Wien und Innsbruck) – und Giulia Caccamo untersucht den vielgestaltigen, durch die Präsenz italienischer Militärkontingente geprägten Raum, der von Albanien bis zum östlichen Mittelmeer, von Schlesien bis Russland reicht. Die von den drei Autoren gemeinsam unterzeichneten zusammenfassenden Bemerkungen ziehen einige vergleichende Schlüsse zu den drei Fallstudien und liefern zugleich eine Reihe von Anstößen für weitere Forschungen.

Die analysierten geographischen Räume sind also weit und teils heterogen. Dennoch lassen sich zwei Leitthemen des Buches erkennen: erstens das Verhältnis zwischen Besatzung, Militärpräsenz und Zielen der italienischen Außenpolitik, und zweitens die Auswirkungen dessen auf die besetzten Gebiete.

Was den ersten Punkt betrifft, so macht der Band das Auseinanderdriften der italienischen Ambitionen und der faktischen Einflussmöglichkeiten des savoyischen Königreichs deutlich. Dies ist sicher keine neue Erkenntnis, doch sie wird durch die Ergebnisse der Recherchen zu den Besatzungen letztgültig belegt. Selbstredend kritisieren die Autoren die italienischen Aspirationen, die sich von denen der anderen europäischen Mächte qualitativ kaum unterschieden, aber sie verdeutlichen, dass diejenigen Italiens ohne festes Fundament waren. Ein Beispiel dafür liefert die italienische Präsenz in Österreich in Gestalt der Besetzung Tirols und einer militärischen Mission nach Wien: Italien wollte eine wirtschaftlich und politisch richtungweisende Macht für den alten Feind werden, doch der Traum zerschlug sich binnen kurzer Zeit angesichts von finanziellen und politischen Schwierigkeiten, die eine radikale Neuausrichtung der Ziele erforderte. Zu ähnlichen Entwicklungen kommt es in Albanien und im östlichen Mittelmeer, wo die italienische Truppenpräsenz auf die zweifache Notwendigkeit reagiert, das durch die Kriegsverträge gewährte Bezugsrecht wahrzunehmen und die Griechen und Jugoslawen einzudämmen. Italien musste sich jedoch nicht nur mit dem neuen internationalen Kräftefeld der Nachkriegszeit und der schleichenden Aushöhlung der Allianzen auseinandersetzen, es musste auch mit der politischen und wirtschaftlichen Untragbarkeit einer Militärstrategie umgehen, die für ein Land unrealistisch war, das zwar als Gewinner aus dem Konflikt hervorgegangen, aber auch arg von ihm gebeutelt worden war. Die Ressourcenknappheit schränkte gewissermaßen sofort die Möglichkeiten Italiens ein, seine Besatzungstruppen zu versorgen. Hinzu kam die Krise des liberalen Staates: Man denke an den Fall Albaniens, wo mit dem Abgang der italienischen Verbände Meutereien der in Ancona versammelten Truppen verbunden waren. Die Ressourcenknappheit verhinderte zudem, dass eine geplante Expedition in den Kaukasus in die Tat umgesetzt wurde (die sicher in einer Katastrophe geendet hätte). Die Misserfolge wurden zu einem Symbol für die Schaumschlägerei einer der Verzweiflung nahen politischen Führung, der es unmöglich gewesen war, auf der Friedenskonferenz Ergebnisse zu erzielen, die den in der Öffentlichkeit geweckten Erwartungen entsprachen.

Bezüglich des zweiten Punktes, also der Auswirkungen der italienischen Besatzung in den genannten Regionen, bietet der Band nützliche Vergleiche zwischen Südtirol und der Adria. Die zu bewältigenden Probleme waren teils verschieden: Einerseits bestand die Notwendigkeit, die Rolle Triests neu zu definieren, denn nach 1918 hatte sich die Stadt von einer Pforte zum Mittelmeerraum für die Donaumonarchie zu einem peripheren Anhang eines Königreichs am Mittelmeer entwickelt. Auf der anderen Seite war da das sehr unterschiedliche Szenarium des Trentino, wo Italien sich vor allem um den Wiederaufbau der durch die Verlegungen der Frontlinien verwüsteten Gegenden kümmern musste. Man bedenke ferner die unterschiedliche Einstellung, mit der die Kirche den Besatzern entgegentrat: Während im Trentino der Bischof im Ruf stand, ein aufrechter Italiener zu sein, prallten in Julisch Venetien und Dalmatien freimaurerische italienische Kommandanten mit einer pro-slawischen ehemaligen habsburgischen Elite dramatisch aufeinander.

Dennoch sind auch Ähnlichkeiten zu konstatieren, etwa jene hinsichtlich der Behandlung sprachlicher Minderheiten: Deutsche an der nördlichen Grenze, Slowenen und Kroaten an der östlichen. In beiden Fällen vertraten die Militärgouverneure – Pecori Giraldi in Trient und Petitti di Roreto in Triest – eine liberale Integrationspolitik hinsichtlich der neuen Territorien und ihrer gemischt zusammengesetzten Bevölkerung. Die Generäle verfolgten beide das Hauptziel, die institutionelle und politische Angliederung der neuen Provinzen an Italien zu erleichtern und waren der Auffassung, dass dieses Ziel erreicht werden müsse soweit möglich, allerdings unter Respektierung der lokalen Eigenheiten, auch in sprachlicher und kultureller Hinsicht. Die Beobachtungen von Di Michele und Pupo zu den zwei Fallstudien verdeutlichen, dass das militärische Besatzerregime – und dies kann sicher paradox erscheinen – das «liberalste» Bild darstellte, welches der italienische Staat nach 1918 in den «erretteten Gebiete» («terre redente») von sich zu projizieren vermochte. Waren sie auch bezüglich ihrer Autorität unflexibel, so glaubten die beiden Gouverneure doch wirklich an die Grundsätze des liberalen Staates, ebenso wie an die Möglichkeit, «neue Provinzen» zu den Institutionen des Königreichs Italien hinzuzufügen und dabei gleichzeitig die Rechte der neuen Bürger ausreichend zu wahren. Zugleich gehen aber aus den Analysen des vorliegenden Buches auch die Grenzen dieser Sichtweisen hervor, da es innerhalb der italienischen Verwaltung viele verschiedene Positionen gab, die von einem nationalistischen Radikalismus inspiriert waren und auf solide Unterstützung bei den militärischen und politischen Eliten auf höchster Ebene bauen konnten. Sowohl in Südtirol als auch in Julisch Venetien kam es dadurch zur Legitimierung und Einbindung nationalistischer Tendenzen, die hinter der Umsetzung einer antideutschen und antislawischen italienischen Strategie standen. Sowohl Pecori Giraldi als auch Petitti di Roreto reagierten mit Härte auf solche Einmischungen, die nur solange eingedämmt werden konnten, wie die Militärgouverneure auf dem Posten waren. In Südtirol war der Nationalist Tolomei beispielsweise von Rom mit Verantwortung ausgestattet und durch den Gouverneur abgesetzt worden. Allerdings sollte er kurz nach der Etablierung des Faschismus triumphal zurückkehren und die Nationalisierung des Territoriums stark persönlich prägen. In Triest ereigneten sich am Tag des Übergangs von der Militär- zur Zivilregierung gravierende Vorfälle, im Laufe derer sich die öffentliche Gewalt klar und deutlich auf die Seite der nationalistischen und gegen die sozialistischen Demonstranten stellte.

Nicht besser erging es der durch die Militärgouverneure vertretenen Politik der «Versöhnung» hinsichtlich der verschiedenen lokalen politischen Kräfte. Während in Südtirol die Deutschen eine grundsätzlich ablehnende Position gegenüber den italienischen Institutionen behielten, kritisierten im Trentino die Katholiken die Zentralisierungspolitik des Gouverneurs scharf und setzen ihr den Glauben an das autonomistische Ideal entgegen. In Triest hingegen scheiterte der Plan Petitti di Roretos völlig, die Bildung einer neuen moderaten Partei als Anlaufstelle für alle Italiener voranzutreiben, weil die liberal-nationale Partei, die vor dem Krieg ein wichtiger politischer Akteur gewesen war, danach in eine unumkehrbare Krise geriet. Innerhalb der sozialistischen Partei, die der Gouverneur aufgrund ihrer straffen Organisation und ihres politischen Pragmatismus anfänglich mit Wohlwollen betrachtet hatte, gewann zugleich ein Flügel mit Maximalforderungen die Oberhand und wurde letztlich als Staatsfeind angesehen. Zu der von Petitti di Roreto erhofften Konsolidierung der italienischen Streitkräfte sollte es ein Jahr nach seinem Abgang kommen. Erreicht wurde sie indes nicht von einer liberalen Führung, sondern von der neuen Bewegung der Fasci di combattimento.

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