Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

41, 2015/2

Beatrice del Bo (ed.)

Cittadinanza e mestieri

Review by: Rosa Salzberg

Editors: Beatrice del Bo
Title: Cittadinanza e mestieri. Radicamento urbano e integrazione nelle città bassomedievali (secc. XIII-XVI)
Place: Roma
Publisher: Viella
Year: 2014
ISBN: 978-88-6728-336-1

Reviewer Rosa Salzberg - University of Warwick

Citation
R. Salzberg, review of Beatrice del Bo (ed.), Cittadinanza e mestieri. Radicamento urbano e integrazione nelle città bassomedievali (secc. XIII-XVI), Roma, Viella, 2014, in: ARO, 41, 2015, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2015/2/cittadinanza-e-mestieri-radicamento-urb-rosa-salzberg/

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Dieser Sammelband entspringt der in Mailand im Jahr 2013 gehaltenen Konferenz zum Thema «Cittadinanza, professione, corte» und präsentiert Aufsätze, die Bürgerschaft und andere Wege zur Integration für Migranten in Italiens Stadtgemeinden im späten Mittelalter thematisieren. Wie aus der Einleitung (und einigen der Essays) hervorgeht, standen Bürgerrechte besonders in den 1980er und 1990er Jahren im Fokus des Interesses der mittelalterlichen Migrationsforschung. Der vorliegende Band umreißt allgemeine Trends in der Geschichtsforschung seit dieser Zeit, und füllt außerdem einige Lücken der bisherigen Forschung, die hauptsächlich von Rechtshistorikern stammt, die oft nicht sensibel genug für ortsbedingte Abweichungen und zeitübergreifende Veränderungen waren.

Der auf die Einleitung folgende Aufsatz von Paolo Grillo verfolgt präzise eine wichtige Veränderung dieser Art: was er als den Wechsel vom «Recht auf Bürgerschaft» zur «Bürgerschaft als Privileg» bezeichnet. Grillo erklärt, wie die italienischen Städte seit dem 14. Jahrhundert mit wachsenden Migrationsströmen aus ihrem Hinterland konfrontiert waren und sich um den Erhalt von wirtschaftlicher und politischer Stabilität bemühten. Als solches beschränkten sie die Institution Bürgerschaft zunehmend auf privilegiertere Einwanderer, oder schufen alternative, weniger mächtige Bürger-Kategorien, um die Anzahl der Menschen mit vollen politischen Rechten begrenzt zu halten. Laut Grillo stand diese neue, ideologischere Auffassung von Bürgerschaft in Zusammenhang mit einem grundlegend anderen Verständnis von urbaner Gemeinschaft, das das «Gute» und Ehrwürdige privilegierte und versuchte unerwünschte Mitglieder auszugrenzen.

Andere Beiträge wiederum konzentrieren sich auf spezifischere Standorte und Milieus, legen verschiedene Spielarten von Bürgerschaft sowie die allgemeine Divergenz zwischen Theorie und Praxis offen, wenn es darum geht, diesen Status zu gewähren. Je nach Eigenschaften und Möglichkeiten des jeweiligen Migranten, konnte Bürgerschaft den Anfang oder das Ende (die premessa oder den suggello) eines Integrationsprozesses an einem neuen Ort bedeuten, wie die Herausgeberin des Sammelbandes Beatrice Del Bo in ihrem Aufsatz über den Fall Mailand betont. Formen von Bürgerschaft, die wir vielleicht als «echt» betrachten würden, mit wirklicher kultureller und sozialer Integration, bestanden oft neben «künstlicheren» Formen, die aus rein diplomatischen oder steuerlichen Gründen nicht einmal notwendigerweise in der betreffenden Stadt ansässigen Fremden zugestanden wurden.

Die Beweggründe für das Gewähren von Bürgerrechten waren komplex und von Ort zu Ort verschieden, obwohl auf der italienischen Halbinsel durchaus Gemeinsamkeiten auszumachen sind. Giovanna Petti Balbis Aufsatz über Genua betont beispielsweise die wirtschaftliche, und nicht die politische oder emotionale Grundlage spätmittelalterlicher Bürgerschaft. Regierungen, wie etwa die Genuas, versuchten aufgrund dessen, was gewisse Migranten zur lokalen Wirtschaft beitragen konnten, deren Integration zu fördern, und lehnten andere ab. Ein weiteres wichtiges Motiv von Petti Balbis Aufsatz ist, wie aus obrigkeitlicher Perspektive das Bürgerrecht nicht das einzige Mittel war, erwünschte Migranten zumindest vorübergehend zum Siedeln in der Stadt zu ermutigen. Die Genueser gewährten zu diesem Zweck beispielsweise zahlreiche salvacondotti und andere Formen befristeter Privilegien.

Während die Genueser laut Petti Balbi vielleicht eine besonders feine Nase fürs Geld gehabt haben mögen, kommen in anderen Aufsätzen weitere Aspekte der Bürgerschaft, sowohl in Bezug auf die städtischen Einrichtungen, die sie gewährten, als auch in Bezug auf die Migranten, die um sie ansuchten, ans Licht. Laura De Angelis legt beispielsweise dar, wie Bürgerrechte in Florenz auch als politisches Werkzeug eingesetzt wurde, um die Herrschaft der Florentiner über ihr Untertanengebiet zu festigen (wenn sie territorialen Eliten zugestanden wurden), während Beatrice Del Bo deren diplomatische Verwendung durch die Visconti in Mailand beleuchtet. Weitere Essays streichen die kulturellen Aspekte von Bürgerrechten hervor, ein besonders interessantes Unterthema, das in dem Sammelband durchaus hätte vertieft werden können. Carolina Obradors Suazos Aufsatz über Barcelona (eine von mehreren Arbeiten über außeritalienische Fälle, die aufschlussreiche Vergleiche ermöglichen) betont die verschiedenen Faktoren, die ebenfalls eine Rolle spielten, wenn Einwanderer in die katalanische Hauptstadt um Aufnahme in die Bürgerschaft baten, darunter ihre Absicht in der Stadt zu bleiben, öffentliches Ansehen und lokale Netzwerke. Unter Heranziehung besonders reichhaltigen Quellenmaterials, den Informacions de la Ciutadania, gibt Suazos Essay auch Aufschluss über die tatsächlichen Praktiken zum Erlangen von Bürgerrechten und beim Streben nach Integration in einer neuen Stadt. Diese Register von Einbürgerungsanträgen aus Barcelona erlauben es ihr, einige der individuellen Routen von Immigranten wie Matrosen, Bauern und Handwerkern in und durch die Stadt zu skizzieren.

Wie jedoch aus Suazos Fallstudie deutlich wird, war Bürgerschaft nur eine von vielen von Migranten angewandten Strategien um den Grad Ihrer Integration in der neuen Heimat zu verbessern. Andere bestanden im Erwerb von Immobilien, Familienzusammenführungen in der Stadt oder dem Schmieden lokaler Geschäftskontakte. In der Tat betont eine Vielzahl der hier im Band versammelten Autoren die Tatsache, dass die Mehrheit der Migranten in Italien im Spätmittelalter es aus den in Grillos Aufsatz genannten Gründen nie gehofft oder erwartet hätte, Bürger zu werden. Bürgerschaft war dabei in den meisten italienischen Staaten zu diesem Zeitpunkt, ein Privileg für einige wenige reiche Anwärter zu werden, die sich den mit dem Erlangen dieses Rechtsstatus’ verbundenen hohen Aufwand und die Kosten leisten konnten und diese wegen des wirtschaftlichen Nutzens und der mit dem Status zusammenhängenden Befreiungen auf sich nahmen.

Aus diesem Grund haben viele Migrationshistoriker, die sich für das breitere Migrantenspektrum unter den obersten Rängen interessieren, die Bürgerrechte hinter sich gelassen und sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend anderen Themen hingewandt. Der zweite Schwerpunkt des Bandes gilt daher auch der Frage des mestiere, oder Gewerbes, als einer weiteren wichtigen Integrationsmöglichkeit für mobile Menschen in italienischen Städten. Die Aufsätze in diesem zweiten Teil sind nicht so konsequent an das Thema gekoppelt, wie jene über die Bürgerrechte des ersten, auch wenn viele über andere, alternative Integrationsarten Interessantes zu berichten wissen. Anna Espositos Aufsatz über «unerwünschte Minderheiten» in Rom, ist beispielsweise eine faszinierende Behandlung der Korsen, Slaven und Albanien in der Stadt der Päpste, für die Beschäftigung nur ein Weg zu einem provisorischen Wohnsitz, wenn nicht zur vollen Assimilation war. Andere waren ethnische Ballungen in bestimmten Wohnvierteln sowie die Schaffung gemeinschaftlicher Unterstützungseinrichtungen wie «nationale» Hospize für Landsleute, die Unterkunft brauchten. Die nationalen scuole Venedigs dienten einem ähnlichen Zweck im Stärken gegenseitiger Solidarität innerhalb niedergelassener Einwanderergruppen und zur Förderung ihrer Integration in der lokalen Gemeinschaft, wie Matteo Ceriana und Reinhold C. Mueller in ihrer Untersuchung aufzeigen, die sich mit der künstlerischen und architektonischen Auftragsvergabe dieser Genossenschaften befasst.

Es gibt jedoch zahlreiche Aspekte der Migrantenerfahrung und des Weges von der Ankunft bis hin zur Integration in der Städtegemeinschaft (oder zur Abweisung), die in diesem Sammelband mehr Aufmerksamkeit verdient hätten. Maria Elisa Soldanis Beitrag über auswärtige Kaufleute in Barcelona enthält bei- spielsweise faszinierende Betrachtungen über die praktische, alltägliche Erfahrung von Migration – wo die Neuankömmlinge wohnten, was sie mitbrachten – über die man viel mehr erfahren möchte. Obwohl die hier versammelten Beiträge viele wichtige und anregende Aufsätze mit zukunftsweisenden Ansätzen für die spätmittelalterliche Stadtgeschichts- und Migrationsforschung enthalten, bleibt noch viel zum Thema der individuellen Reiserouten durchschnittlicher Migranten zu erforschen – einschließlich der Vielen, die sich keine Hoffnungen auf Bürgerschaft gemacht haben konnten.

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