Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

39, 2013/2

Ottavia Niccoli

Vedere con gli occhi del cuore

Review by: Claudio Ferlan

Authors: Ottavia Niccoli
Title: Vedere con gli occhi del cuore. Alle origini del potere delle immagini
Place: Roma - Bari
Publisher: Laterza
Year: 2011
ISBN: 978-88-420-9661-0

Reviewer Claudio Ferlan - FBK-ISIG

Citation
C. Ferlan, review of Ottavia Niccoli, Vedere con gli occhi del cuore. Alle origini del potere delle immagini, Roma - Bari, Laterza, 2011, in: ARO, 39, 2013, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2013/2/vedere-con-gli-occhi-del-cuore-alle-ori-claudio-ferlan/

PDF

Wir sind es gewohnt, die Kommunikationstypen unserer Zeit als ein multimediales System zu betrachten, welches aus Botschaften zusammengesetzt ist, die sich an den einen oder den anderen unserer Sinne richten. Zugleich jedoch setzen wir eine andauernde Wechselwirkung zwischen der Fähigkeit zur Perzeption, Elaboration und Speicherung der von uns empfangenen Signale als gegeben voraus. Diese Annahmen sind nicht falsch, wir vergessen aber häufig, dass diese Art der Ausstrahlung und Aneignung von Wissen nicht ausschließlich der Gegenwart vorbehalten sind. Ottavia Niccoli zeigt, dass «die Kommunikationswelt am Ende des Mittelalters und zu Beginn der Frühen Neuzeit auf ihre Art eine multimediale Welt war; sie war von den Bemühungen gekennzeichnet, bei ihren Nutzern mentale Strukturen an der Grenzen zwischen Wort und Bild, zwischen Hören und Sehen entstehen zu lassen, in die jede Art von Wissen ordentlich eingefügt werden konnte» (S. 8).

Der Titel des Buches, Vedere con gli occhi del cuore [Sehen mit den Augen des Herzen], verweist auf eine eigentümliche Form der Interaktion mit der Realität. Diese geht vom Blick aus, endet aber noch lange nicht mit dem Akt des Sehens, sondern sie erstreckt sich sogar noch über die Emotionen (traditionell dem Herzen zugeschrieben) hinaus, auf die weiteren Sinne: sie schreibt beispielsweise von «tastender und empfundener Anbetung», von «an der Stelle des Gesichts Christi oder der Heiligen berührten, umarmten und vor allem geküssten Votivbildern» (S. 59), von verschluckten Drucktexten, von verzehrtem Pulver von Bildern zu Heilungszwecken (S. 45-46). Thema des Bandes sind die durch verschiedene Beziehungen zu den heiligen Bildern ausgedrückten religiösen Erfahrungen von Frauen und Männern, die am Ende des Mittelalters und dem Beginn der Frühen Neuzeit in Italien gelebt haben. Es handelt sich um eine dynamische Analyse, bei der gebührende Rücksicht auf die durch die Wandlungen des sozialen und kirchlichen Kontexts sich verändernde Verehrung von Bildern, Drucken und eingeschnitzten Bibelzitaten genommen wird. Insbesondere gilt diese Rücksicht für den Einbruch der reformatorischen Ideen, die die Rolle der physischen Bilder bei der Herstellung einer Beziehung zwischen dem Gläubigen und dem Übernatürlichen für nichtig erklärten. Niccoli nutzt für ihre Arbeit schriftliche und ikonografische Quellen verschiedensten Ursprungs, diese reichen von berühmten Darstellungen, spirituellen Tagebüchern, Inquisitionsprozessen, Votiv- und Schnitztafeln, bescheidenen Drucken und privaten Papieren; sie stellt Visionen, die dazu beigetragen haben, die post-tridentinische Geistlichkeit zu begründen (die Heiligen Ignatius von Loyola und Teresa von Ávila um zwei Beispiele zu geben), und Erfahrungen von Männern, Frauen und Kindern verschiedenster Herkunft und Kultur vor: Dies reicht von Adeligen, wie dem Venezianer Gasparo Contarini bis hin zu anonymen Zeugen von Wundererscheinungen in verschiedenen Teilen Italiens. Wir werden somit mit einer erstaunlichen Menge an Zeugenaussagen konfrontiert, so vielen, dass es nicht immer leicht ist, dem Erzählstrang zu folgen, der manchmal inmitten des überbordenden Reichtums der schriftlichen und bildlichen Hinweise im Buch zu versinken droht. Eine Orientierungshilfe gibt uns die Autorin durch Darlegung der eigenen Absichten in der Einleitung (S. IX), nämlich «eine von der kunsthistorischen abweichende Perspektive zu bevorzugen, da sie eher als auf ein besseres Verständnis der Bilder auf die Rekonstruktion des Gebrauchs der Bilder innerhalb eines definierten kulturellen Kontextes» zielt. Die Analyse ist also nicht von einer künstlerischen Betrachtung oder ästhetischen Bewertung geprägt, sondern von einer Konzentration auf die Arten und Gründe der Anbetung.

Ein fester Bezugspunkt des Buches sind die wiederholten Verweise auf die bereits angedeutete entscheidende Beziehungsveränderung zwischen Gläubigem und Bild. Diese sind durch den Anfang der protestantischen Reformation und dem hierzu betriebenen Aufwand des Konzils von Trient gekennzeichnet und zeigen eine größere Aufmerksamkeit (manchmal aber in der Tat eine wirkliche Schwierigkeit) derjenigen, die sich mit der Notwendigkeit konfrontiert sehen, die Kultformen zu disziplinieren. Angesichts der Bilderfeindlichkeit der protestantischen, jüdischen und muslimischen Welt sahen sich das kanonische Recht und die Theologie gezwungen, konträre Fragen bezüglich der korrekten Form der Anbetung zu lösen, da diese ohne eine korrekte Form und Haltung innerhalb klarer Grenzen Gefahr liefen, in Paganismus und Idolatrie abzugleiten. Indem sie wiederholt auf das Konzil verweist, unterstreicht die Autorin, dass insbesondere in diesen Jahren erkannt wurde, dass «die visionäre Erfahrung kontrollbedürftig sei und daher dazu bestimmt war, sich hauptsächlich in den Klostermauern zu erhalten, wo sie leichter zu disziplinieren schien» (S. 150).

Man muss betonen, dass ähnliche Bedürfnisse keine Eigenheit des europäischen religiösen Empfindens waren, im Gegenteil. In Bezug zur Alten Welt fügt sich die Studie von Ottavia Niccoli in eine fruchtbare Tradition von Studien ein, die in den Fußnoten eine umfangreiche Würdigung finden. Eine sehr interessante Forschungsperspektive wäre aber auch der Vergleich mit Forschungen zu anderen Zeugnissen der katholischen Disziplinierung der Anbetung von Objekten und Bildern, beginnend mit einem Bezug zu dem, was unserer Meinung nach eines der fundamentalen Werke zu diesem Thema ist, der reichhaltigen Arbeit von Juan Carlos Estenssoro Fuchs, Del paganismo a la santidad (Lima 1998). Hier wird die Beziehung zwischen Orthodoxie und Anbetung der Bilder mit großer Präzision im Kontext der Christianisierung des Vizekönigreiches Peru herausgearbeitet. Dieses Beispiel reicht aus, um das historiographische Interesse an einer wirklich sehr großen geographischen Perspektive, durch die Autorin in einem kurzen Verweis auf einen heiligen Holzschnitt, der für die Länder der Mission wichtig war (S. 32), angedeutet, zu unterstreichen.

Wir schließen mit einem Hinweis auf einen anderen roten Faden in dem Buch von Niccoli, die Pluralität der dem Akt des «Sehens» zugeschriebenen Bedeutungen: Hierzu zählen Zeugnisse von Visionen, die zwar nicht real sind, jedoch auf einen zutiefst inneren Erfahrungsraum verweisen; Erscheinungen, die ein intimes Universum aus durch häufige Wiederholung von Anbetungsgesten dermaßen verinnerlichten Figuren, so dass sie auf eine auf Bildern oder Drucken dargestellten Szenen basierende Vorstellungswelt zurückführbar sind, rekonstruieren; Ikonen, die just daher angebetet werden, da man sie nicht sieht, die ihre Kraft daraus ziehen, versteckt zu bleiben; Täfelchen, die die Gesichter der zum Tode verurteilten verstecken und sie am Sehen und Gesehen werden hindern; kanonische Instruktionen, wie auf Tuch oder Papier mystische Erscheinungen dargestellt sein sollen; Ratschläge zur Nützlichkeit der Figuren zur Erziehung der Kinder; und vieles weiteres mehr. Das Buch ist reich an Momentaufnahmen und Episoden, die in einer an Beispielen reichen Erzählung aufeinander folgen, manchmal in Form schneller Querverweise, die vermutlich darauf abzielen, den Leser zur Vertiefung mancher der vielen im Verlauf der Seiten dargebotenen Reflektionsanregungen neugierig zu machen.

Subscribe to our newsletter

Partners