Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

38, 2012/2

Tommaso Piffer (ed.)

Porzûs

Review by: Marco Mondini

Editors: Tommaso Piffer
Title: Porzûs. Violenza e Resistenza sul confine orientale
Place: Bologna
Publisher: Il Mulino
Year: 2012
ISBN: 978-88-15-23486-5

Reviewer Marco Mondini - Università di Padova- Isig

Citation
M. Mondini, review of Tommaso Piffer (ed.), Porzûs. Violenza e Resistenza sul confine orientale, Bologna, Il Mulino, 2012, in: ARO, 38, 2012, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2012/2/porzus-violenza-e-resistenza-sul-confin-marco-mondini/

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Am 7. Februar 1945 attackierte eine Splittergruppe von 100 Mitgliedern der kommunistischen Gruppe für patriotische Aktionen von Udine unter der Leitung von Mario Toffanin das Zentralkommando der Truppen Osoppo bei Malghe di Porzûs (Provinz Udine). Die Partisanen aus der Stadt Osoppo wurden entwaffnet, einige von ihnen auf der Stelle erschossen, andere gefangen genommen und danach ermordet.

Das Massaker von Porzûs ist seit der Nachkriegszeit – und besonders in den letzten Jahren – eines der meistdiskutierten Kapitel und Gegenstand von Pole- miken in der Geschichte der Resistenza. Die Forschung hat klar erwiesen, dass erhitzte Kontroversen ideologischer Natur zwischen den Partisanengruppen in Wahrheit mehr oder weniger alltäglich waren und oft Risiko liefen, in bewaffnete Konflikte überzugehen (was manches Mal geschah). Das Massaker vom 7. Februar 1945 hingegen hat in der öffentlichen Debatte über den zivilen Widerstand und den Partisanenkrieg hinaus eine besondere Stellung, insbesondere wegen seiner hohen Politisierung. Da sich das Massaker an jener östlichen Grenze vollzog, die – wie kürzlich Marina Cattaruzza schrieb – über viele Jahre ein Schwerpunkt der republikanischen Politik war, wird es schnell dem politischen Konflikt zwischen der kommunistischen Partei Italiens (PCI) einerseits, und andererseits den antikommunistischen Parteien und ihrer Öffentlichkeit zugerechnet. Diese Debatte zeigt mithin, wie eine Auflösung der Kriegskultur im Italien des Kalten Krieges ausblieb. Es handelt sich in erster Linie um eine Polemik, die darauf abzielt, aus der Geschichte und Erinnerung an die Widerstandsbewegung als Legitimierungsgrundlage des neuen Italiens ein Instrument des politischen Kampfes zu machen, indem eine ausschließlich «politische» Perspektive (die gewissermaßen eine moralische Hegemonie der kommunistischen Resistenza postuliert) legitimiert wird, oder indem alternativ, eher pluralistisch, die Bedeutung von autonomen Gruppen anerkannt wird – seien sie nicht an eine Partei gebunden, militaristisch oder monarchisch –, die an der östlichen Grenze gerade von den Gruppierungen Osoppo repräsentiert wurden. Im speziellen Fall von Porzûs kommt noch die scharfe Auseinandersetzung hinsichtlich der Wegnahme von Gebieten Dalmatiens und von Venezia-Giulias von Italien hinzu, im Denken der Zeit als Preis für den verlorenen Krieg, was selbst in einigen linkspolitischen Kreisen als erniedrigende Verstümmelung gemäß dem Friedensvertrag von 1947 angesehen wurde. Die Politik Titos zielte bekanntermaßen auf viel weitere Gebietsannexionen ab, als sie im Vertrag von Paris beschlossen und dann vom 1954 in London aufgesetzten Memorandum ratifiziert wurden (und letztlich von den Verträgen von Osimo). Die jugoslawischen Absichten von 1945 verfolgten unterdessen die expansionistischen Ziele, die 1919 von der serbischkroatisch-slovenischen Führung festgelegt und in der Vorstellung von Triest als der «dritten Stadt Jugoslaviens» vereint waren. In solch einem Zusammenhang der radikalen nationalistischen Konfrontation wird das Massaker von Porzûs zum klaren Beweis der Strategie einer Ent-Italianisierung der Provinzen Friaul und Giulia, die auf die Zeit weit vor dem Krieg zurückgeht, die mit radikaler Entschiedenheit zu ethnischer Säuberung vorangetrieben wurde und in der den italienischen Kommunisten die Rolle von Vaterlandsverrätern und Kumpanen des Partisanenkampfes zugeschrieben wird.

Die stark politische Dimension dieser Fakten (und vor allem ihrer Erinnerung) des Massakers vom Februar 1945 werden nun gut eingeordnet und zusammen- gefasst durch den von Tommaso Piffer herausgegebenen Band Porzûs. Violenza e Resistenza sul confine orientale mit Beiträgen von T. Piffer, O. Moscarda Oblak, R. Pupo, P. Karlsen, E. Aga-Rossi und P. Pezzino. Es handelt sich um den Tagungsband zur im Februar 2010 abgehaltenen Konferenz Violenza e conflitti all’interno della Resistenza italiana. Von einer allgemeinen Interpretation der Ereignisse, die oft mit der auf einer politischen Seite geführten Polemik angrenzt, hebt der Band sich insofern ab, als dass er die Zerrissenheit der Resistenza in den weiteren Kontext nicht nur des Partisanenkrieges und seiner Phasen einbettet, sondern auch in jenen des systematischen Rückgriffs auf politische Gewalt an der Ostgrenze, die nach dem September 1943 deutlich den Charakter eines rassistisch motivierten Bürgerkrieges annimmt, der oft als «Klassenkampf» maskiert ist. Wie Raoul Pupo in seinem Beitrag La violenza del dopoguerra al confine tra due mondi schreibt, ist in der Tat die hervorstechendste Konsequenz der Krise von 1943, mit dem Kollaps der italienischen Staatlichkeit, «die Ausweitung der Logiken des jugoslawischen Befreiungskrieges auf die Region Venezia Giulia; unter anderem … die der Säuberung des Territoriums von den ‘Volksfeinden’» (S. 51). Im Jahr 1943, und vor allem im Frühjahr 1945, als die Gruppierungen der «Titine» das gesamte Territorium okkupierten, weitete sich der Gebrauch der Bezeichnung «Volksfeinde» weit über die Grenzen des faschistischen Hoheitsgebiets aus auf jedes Mitglied der öffentlichen Institutionen Italiens, auf das Heer und den ökonomischen und kulturellen Adel. Schließlich wurden selbst die Vertreter der CLN als Ziele der Liquidation ausgegeben, die sich gegen die Slavisierung der Region Venezia Giulia auflehnten.

Die weit reichende und langfristige Instrumentalisierung der Ereignisse von Porzûs steht hingegen im Zentrum des Beitrags von Elena Aga-Rossi (L’eccidio e la sua memoria, S. 87-113), der als das Hauptkapitel des Buches gelten kann. Als analytische Rekonstruktion der Ereignisse und gleichzeitig als Synthese ihrer öffentlichen Instrumentalisierung, die schnell seit der Nachkriegszeit einsetzte, legt der Aufsatz von Aga-Rossi die Hauptpunkte dar, die aus Porzus einen «geteilten Erinnerungsort» der Resistenza machen. Erstens: Das Massaker wurde de facto von italienischen Partisanen verübt, und nicht von slowenischen Gruppierungen, wie man einige Zeit glauben machen wollte, und es hatte zum Ziel, die Strategie der Entitalianisierung der Grenzgebiete zu begünstigen, die von den «Titini» begründet wurde. Der Vorwurf an die kommunistischen Partisanen – und stellvertretend für sie innerhalb des PCI in den Aufsehen erregenden Prozessen der 50er Jahre – war also jener des Verrats, und der «Anschlag auf die territoriale Integrität des Staates» war in der Tat einer der Hauptanklagepunkte (gemeinsam mit Mord unter erschwerenden Umständen und Geiselnahme), die dem Geschworenengericht in Lucca präsentiert wurden, das im Jahr 1952 800 Jahre Haft androhte, aber den Vorsatz des Vaterlandsverrats nicht anerkannte. Den- noch blieb die Brandmarkung des Verrats latent mit der Erinnerung an Porzûs verknüpft und verblieb im Verlauf des Prozesses unter den Anklagepunkten; ein formidables atout in der scharfen antikommunistischen Medienkampagne jener Zeit. Gerade die nicht zu verteidigende Position der kommunistischen Führung und jener der einzelnen Angeklagten sollte den Beginn einer langen Verdrängung der Episode sowohl seitens der Assiciazione Nazionale Partigiani d’Italia (ANPI) als auch seitens der Historiographie markieren: «in den übergreifenderen Werken von Autoren, die dem PCI nahe standen, wurde bevorzugt, das Massaker zu verschweigen oder es als unerhebliche Episode anzusehen», hebt die Autorin hervor (S. 105) und beruft sich dabei auf Claudio Pavone, Roberto Battaglia, Paolo Spriano und Giorgio Bocca. Bei der Verdrängung / Marginalisierung sollten so einige kanonische Elemente der Rechtfertigungsthesen wiederkehren (die Partisanen von Osoppo wollten den kommunistischen Gruppen schaden; sie waren mit der deutschen Armee verbunden, ebenso wie mit Elementen der Italienischen Sozialrepublik [RSI] in antikommunistischer Funktion) und, vor allem, die Überzeugung, dass eine Aufladung des Massakers mit Bedeutung eine vollständige Delegitimierung des Kriegs der Resistenza mit sich gebracht hätte. Die Autorin wendet sich explizit gegen den Vertreter dieser historiographischen Richtung, Joze Pirjevec. In dem Band Foibe. Una storia d’Italia (Einaudi 2010) hat Pirjevec die Theorie wieder aufgebracht, dass der Angriff auf die Almen von Porzûs durch die (angebliche) Tötung einiger «Garibaldianer» durch die Gruppe von Osoppo ausgelöst worden sei. Aga-Rossi bezweifelt offen die Richtigkeit dieser Darstellung und hält die in den russischen Staatsarchiven aufbewahrten Dokumente, welche angeführt werden, um jene These zu stützen, für inexistent. Die Unwahrheitsanschuldigung hat einen polemischen Briefwechsel zwischen der Autorin und Pirjevec ausgelöst, der in den letzten Monaten auf der Mailingliste der Società Italiana per lo Studio della Storia Contemporanea veröffentlicht worden ist.

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