Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

36-37, 2010-2011/2

Gregorio Sorgonà

La svolta incompiuta

Review by: Michelangela Di Giacomo

Authors: Gregorio Sorgonà
Title: La svolta incompiuta. Il gruppo dirigente del Pci dall’VIII all’XI Congresso (1956-1965)
Place: Roma
Publisher: Aracne Editrice
Year: 2011
ISBN: 97888-548-3827-7

Reviewer Michelangela Di Giacomo

Citation
M. Di Giacomo, review of Gregorio Sorgonà, La svolta incompiuta. Il gruppo dirigente del Pci dall’VIII all’XI Congresso (1956-1965), Roma, Aracne Editrice, 2011, in: ARO, 36-37, 2010-2011, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2010-2011/2/la-svolta-incompiuta-il-gruppo-dirigent-michelangela-di-giacomo/

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Die Geschichte der Kommunistischen Partei Italiens ist in den diesen Jahren wieder in den Mittelpunkt des Interesses von Forschern unterschiedlicher kultureller und wissenschaftlicher Bildung gerückt. Das Buch von Gregorio Sorgonà reiht sich daher in eine bereits fruchtbare Forschungsrichtung ein und füllt hier zum Teil eine sowohl zeitliche als auch inhaltliche historiographische Forschungslücke. Während sich die Forschung häufig auf die lebhaften Diskussionen, die nach den Ereignissen von 1956 in Ungarn in der KPI aufkamen, konzentrierte und gleichzeitig das Interesse an ihr mit dem Generalsekretariat Berlinguer wieder auflebte, nimmt dieses Buch einen Zeitraum in den Blick, der häufig außer Acht gelassen wurde. Es handelt sich freilich um ein entscheidendes Jahrzehnt für die Geschichte Italiens, das damals einen ökonomischen, sozialen und kulturellen Strukturwandel durchlebte. Das Buch befasst sich also mit der Frage, wie der Führungsstab einer großen Massenpartei und Hauptdarstellerin in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg, diesen Veränderungen begegnete, und es beschreibt detailliert deren analytischen Entwicklungsprozess und zeigt die Schwierigkeiten und die Vorahnungen auf, die sie bei der Deutung der Modernisierungserscheinungen hatte. Bei Bedarf bezieht der Autor auch dem Beginn seines Forschungsthemas vorangegangene Ereignisse ein und widmet so die ersten beiden Kapitel der KPI unter Togliatti während der Resistenza und der ersten Jahre des Kalten Krieges. Die Gründung der «neuen Partei» und Togliattis Vorstellung von der Stellung Italiens im internationalen Gefüge werden im Wesentlichen geradlinig, aber ausschließlich auf Grundlage einer breiten Referenzliteratur und theoretischer Schriften der Partei behandelt. Es fehlt allerdings ein systematisches Literaturverzeichnis, das gerade in dieser Hinsicht eine hilfreiche Einführung in Sorgonàs Arbeit hätte sein können. Aus den letzten beiden Kapiteln spricht das wirkliche Forschungsinteresse des Autors; dort entwickelt er eine dichte Abhandlung, die fest in reichhaltigem und zweckmäßig verwertetem Archivmaterial verankert ist. Die Entscheidung, die interne Debatte der Führungsriege der Partei quasi Tag für Tag anhand der Protokolle der Parteileitung und des Zentralkomitees wiederzugeben, ist einer der interessantesten Aspekte von Sorgonàs Arbeit. Zum einen weil er – zwar nicht als einziger, aber als einer von wenigen – mit dem Rückgriff auf die Quellen die Literatur zu diesem Zeitraum ergänzt, die häufig aus Erinnerungen oder nachträglichen Rekonstruktionen von Exponenten der Partei selbst bestand. Zum anderen, weil er dazu beiträgt, in einigen Fällen die Vorstellung vom Einheitscharakter der KPI, die sich nach 1989 verbreitet hatte, neu zu beleuchten. Umgekehrt wird aus dem Buch deutlich, dass es ein fruchtbares Unterfangen ist, die gehaltvollen und auch hitzigen Debatten darzustellen, die jeder strategischen Entscheidung zugrunde lagen, auch um zu verstehen, wie es der KPI gelang, kulturellen und Masseneinfluss auszuüben. Die Untersuchung des Autors konzentriert sich auf zwei Schlüsselereignisse im Italien dieser Jahre: die wirtschaftliche Modernisierung, die mit der Verwurzelung des Neo-Kapitalismus und modernen Konsumformen einherging, und die politische Modernisierung, mit den Reformbestrebungen der gemäßigten Linken. In beiden Fällen rekonstruiert Sorgonà detailliert die Standpunkte der Parteiführung und zeichnet ein nuancenreiches Bild jenseits der schematischen Trennung zwischen dem rechten Flügel unter Amendola, der Linken, den Anhängern Ingraos und einer Mitte, die die Waage unter den verschiedenen Kräften der Partei zu halten suchte. Ohne der teleologischen Versuchung zu unterliegen, gelingt es dem Autor auf diese Weise, den Leser mit einem bisweilen fast zu zurückhaltenden Kommentar durch die Entwicklung einer Partei vom integrierenden Bestandteil einer internationalen Bewegung hin zur Anpassung an den eigenen Zugehörigkeitsbereich zu begleiten. Er hebt die Entstehung und Herausbildung zweier verschiedener Modelle zur Integration der Partei in das demokratische System Italiens hervor, in dem seit 1960/62 die Auseinandersetzung zwischen einer einfachen erwerbsorientierten Richtung – Unterstützung der traditionellen repräsentativen Institutionen und Förderung einer Nachfragesteigerung, um die Einschränkung von Verbrauch und Löhnen zu überwinden – und einer komplexeren – eine radikale demokratische Forderung, die sich auf die Organisation von Unternehmen erstrecken sollte und auf einer selektiveren Verteilung der Akkumulation fußte – im Gange war. Im vierten Kapitel umreißt er schließlich die Gründung eines realen, durch die Generalsekretäre verkörperten Zentrums, das – zwischen den beiden Flügeln, die von gegensätzlichen Seiten aus die Möglichkeit aufzeigten, die traditionelle Form der Partei zu überwinden – zu vermitteln versuchte, um die Rolle der Partei in den italienischen Institutionen zu stärken. Diese Dreiteilung der KPI Parteiführung wird bis zur Debatte vor dem Kongress von 1965 beschrieben, besser gesagt im Übergang zwischen dem Generalsekretariat von Togliatti und demjenigen Longos. In dieser Phase, so der Autor, schien sich das Generalsekretariat der parteiinternen Rechten anzunähern, aus Gründen, die in erster Linie im Widerspruch mit einer Linken zusammenhingen, die weniger realistisch auf die «nicht zu überwindenden Folgen der internationalen Zugehörigkeiten, aber mit größerer Aufmerksamkeit auf die Radikalität des gesellschaftlichen Wandels im Westen» blickte (S. 13). Die Wahl des 11. Kongresses als Schlusspunkt ist für den Aufbau der Untersuchung entscheidend, denn Sorgonà sieht in dieser Versammlung den Abschluss einer zwanzigjährigen Lebensphase der Partei, mit der zum ersten Mal ein organisierter Dissens in der Führungsriege formal zum Ausdruck kam und – garantiert durch die Mittlerrolle des Generalsekretariats – die Grenzen festgesetzt wurden, über welche hinaus ein solcher Dissens heißen würde, sich außerhalb der Partei zu bewegen. Obwohl sich der Band – die Veröffentlichung einer Doktorarbeit – streckenweise in der minutiösen Wiedergabe der Protokolle der Führungsorgane verliert, ist die Lektüre jedoch fast nie anstrengend und bietet allen Wissenschaftler, die sich in Zukunft mit den Unterlagen der KPI in jenen Jahren beschäftigen wollen, ein nützliches Hilfsmittel.

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