Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

36-37, 2010-2011/2

Andrea Vanni

«Fare diligente inquisitione»

Review by: Claudio Ferlan

Authors: Andrea Vanni
Title: «Fare diligente inquisitione». Gian Pietro Carafa e le origini dei chierici regolari teatini
Place: Roma
Publisher: Viella
Year: 2010
ISBN: 978-88-833-4443-5

Reviewer Claudio Ferlan - FBK-ISIG

Citation
C. Ferlan, review of Andrea Vanni, «Fare diligente inquisitione». Gian Pietro Carafa e le origini dei chierici regolari teatini, Roma, Viella, 2010, in: ARO, 36-37, 2010-2011, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2010-2011/2/fare-diligente-inquisitione-gian-piet-claudio-ferlan/

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Mehr als der Titel verrät der Untertitel den Inhalt des Buches von Andrea Vanni, das sich mit der Biographie von Gian Pietro Carafa bis zu dessen Erhebung auf den Papstthron (1555) auseinandersetzt. Der Bischof von Chieti, Gründer des Theatinerordens, Kardinal und schließlich eben Papst mit dem Namen Paul IV. gehörte zu den weniger beliebten Gestalten der Kirche des 16. Jahrhunderts.

Der Autor erklärt gleich in der Einleitung das Ziel seiner Untersuchung: «Die Geschichte der Theatiner von ihren Anfängen, ausgehend von dem besonderen Standort des Ordens im europäischen religiösen und politischen Umfeld des frühen 16. Jahrhunderts zu rekonstruieren» (S. 14) und behauptet, dass die Würdigung der Bedeutung Carafas in der Institution der Kongregation «notwendigerweise eine Neubeurteilung der Rolle Kajetans von Thiene nach sich zieht» (ebd.), der doch in der Theatiner vulgata nach dem Tod von Paul IV. als wichtigster Ideengeber des Ordens angesehen wurde.

Das Buch hat vier Kapitel. Das erste («L’eredità dei padri fondatori») ist Kajetan von Thiene und Gian Pietro Carafa und ihren Beziehungen zur DivinoAmore-Bruderschaft gewidmet, der auch die anderen beiden Gründungsväter der Theatiner (Bonifacio de’ Colli und Paolo Consiglieri) angehörten und die zu einem gewissen Grad als Inspiration für die neue Einrichtung diente. In der biographischen Untersuchung scheint die sorgfältige Rekonstruktion der Beziehungsgeflechte besonders gelungen: die Freundschaften und besondere Bekanntenkreise, die Arbeitswelt und das familiäre Umfeld. Die Analyse ist sehr nützlich, um Thienes und Carafas Weltanschauung, ihre dringlichen Anliegen und ihren Glauben genau zu erfassen; mit einem Wort all das, was für die ursprüngliche Aktivität der Theatiner richtungsweisend war. Im Detail betrachtet, wirkt die Definition der Idee von Gian Pietro Carafa zur Kirchenreform überzeugend, auf die am Ende des Abschnitt über sein familiäres Erbe und die Beziehung zu seinem Onkel, Kardinal Oliviero Carafa, hingewiesen wird: «Die kulturelle und moralische Unzulänglichkeit des Klerus und die institutionelle Schwäche des Kirchenapparates seien in seinen [Gian Pietro] Augen eins mit der häretischen Idee, die den apostolischen Stuhl von Grund auf bedrohte» (S. 62-63). Auf diese Überzeugung habe der zukünftige Papst Paul IV. seine Aktivität innerhalb der Kirche gegründet, zuerst mit der Gründung des streng organisierten Theatinerordens, der von ihm selbst zum Kampf gegen die Häresie geführt wurde; und dann mit der Gleichsetzung des Sant’Uffizio nicht nur mit der Kongregation sondern auch mit dem innerkirchlichen Wirkens des Bischofs von Chieti selbst. Diese von Vanni im ersten Teil des Buches aufgestellte These bestimmt auch den Rest, angefangen mit dem zweiten Kapitel («I chierici regolari teatini»), das den Anfängen des Ordens und seiner Tätigkeit – zuerst in Rom (bis 1527, dem Jahr des Sacco), und dann in Venedig – gewidmet ist.

Wie schon vorweggenommen, hat sich die Theatiner Geschichtsschreibung von Anfang an darum bemüht, die Rolle Carafas bei der Gründung der Kongregation neu zu bemessen und parallel dazu die von Kajetan von Thiene, einem im Gegensatz zu Paul IV. heiligen und frommen Mann, herauszustreichen. Der völlig berechtigte Anspruch, dieser historiographischen Interpretation zu widersprechen, führt den Autor zu einem wiederholten Bestehen auf der Figur des Bischofs von Chieti, das sich im Verlauf der Darstellung weiter steigert und bisweilen leicht übertrieben scheint. Es muss gesagt werden, dass die Entscheidung, die Ordensbrüder des ersten Vorsitzenden der Kongregation im Hintergrund zu lassen, auch auf die Quellenlage zurückzuführen ist, was Vanni den Leser auch wissen lässt: «Tatsächlich schweigen die Akten und Dekrete der Generalkapitel über die Aktivitäten der Brüder in den ersten Jahren … Die Verschwiegenheit betrifft auch die Aufnahmen in den Orden» (S. 107). Es bleibt die Neugier, etwas mehr über die anderen Theatiner und ihre Beziehungen zu dem Obervorsitzenden zu erfahren; eine Neugier, die angesichts fehlender oder vielleicht nie verfasster Dokumente möglicherweise unbefriedigt bleiben muss.

Die zentrale Rolle des Bischofs von Chieti wird im zweiten Teil noch deutlicher. Dieser umfasst die Kapitel drei und vier («Tra riforme e Controriforma», «I teatini e l’Inquisizione»), die dem Eifer der Kongregation für die Erneuerung der Kirche und der Unterdrückung der Häresie gewidmet sind. Denn gerade auf Bestreben von Gian Pietro Carafa wurde deren ursprünglich seelsorgerische Aufgabe zunehmend gegen Ermittlungsarbeit ausgetauscht, was zu einem schwieriger Balanceakt zwischen den beiden Kräften führte. Der entscheidende Moment für die Wende war – so Vannis gut belegte These – die Entscheidung von Papst Clemens VII. gerade den Bischof von Chieti mit den Ermittlungen zum inneren Bruch zu beauftragen, welcher die Franziskaner-Observanten in den 20er und 30er Jahren des 16. Jahrhunderts plagte (das «fare diligente inquisitione» im Titel verweist auf die Bestellung des späteren Pauls IV. durch Clemens VII.).

Wie reagierten die Theatiner auf diesen Kurswechsel, der von ihrem ‘unbestrittenen Haupt’ und ‘Gebieter’ vollzogen wurde? Es ist schwierig zwischen den beiden Hypothesen zu wählen, die sich zwischen den Zeilen erkennen lassen: Überwog die Unzufriedenheit mit dem Bischof von Chieti, «der systematisch die Meinungen und Privilegien anderer missachtete» (S. 198) und damit der ursprünglichen geistlichen Lehre, in der Person von Thiene, untreu wurde, oder verführte hingegen die charismatische Autorität Carafas seine Mitbrüder dazu, «die neuen und heiklen [inquisitorischen] Aufgaben als einen ganz besonderen Aspekt ihrer caritativen Verpflichtung [auszuüben], die seit den Anfängen Beistand und Pflege von unheilbar Kranken und die Tröstung von zu Tode Verurteilte umfasste, so dass vielleicht auch sie den Kontinuitätsbruch verkannten, der zwischen sozialer Fürsorge und ermittelnden Aufgaben bestand» (S. 206)?

Das Buch schließt mit der Wahl Carafas zum Papst und behandelt die Beziehungen zwischen dem neuen Papst und ‘seinem’ Orden nur flüchtig. Ebenso kurz ist der Hinweis auf die Wiederaufnahme der caritativ-seelsorgerischen Ausrichtung nach dem Tod Pauls IV. und die Beschreibung der Seligsprechung Kajetans von Thiene, die notwendig geworden war, um das Bild der Theatiner Kongregation von dem ihres ersten Generalvorstandes zu trennen und um mit den letzten Seiten des Buches die Verbindung zur Einleitung wieder herzustellen.

Die Arbeit von Andrea Vanni fußt auf einer gewissenhaften Lektüre der archivalischen und literarischen Quellen und greift mit Gewinn auch auf eine stattliche Bibliographie zurück, auf die sehr häufig in den Fußnoten am Seitenende verwiesen wird.

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