Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

42, 2016/2

Manuela Grillo

Leggi e bandi di antico regime

Review by: Massimo Rospocher

Authors: Manuela Grillo
Title: Leggi e bandi di antico regime
Place: Cargeghe (Sassari)
Publisher: Editoriale Documenta
Year: 2014
ISBN: 978-88-6454-275-1

Reviewer Massimo Rospocher - FBK-ISIG

Citation
M. Rospocher, review of Manuela Grillo, Leggi e bandi di antico regime, Cargeghe (Sassari), Editoriale Documenta, 2014, in: ARO, 42, 2016, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2016/2/leggi-e-bandi-di-antico-regime-massimo-rospocher/

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Es ist allseits bekannt, dass Gutenberg zwischen 1452 und 1456 seine berühmte Bibel mit der Technik der beweglichen Lettern druckte. Kaum bekannt sein dürfte, dass er im Jahr 1454 mit Auftragsdrucken von weitaus weniger bedeutenden Texten einen viel größeren finanziellen Erfolg erzielte. Dabei handelte es sich um Einblattdrucke des Ablassbriefes von Papst Nikolaus V., der an alle gerichtet war, die für den Krieg gegen die Türken spendeten: Formulare mit einer leeren Stelle, an der die päpstlichen Beamten die jeweilige Spendensumme eintrugen. Immerhin ermöglichte diese Art Tagesschrifttum – das in großen Mengen zu niedrigen Kosten und auf die Schnelle gedruckt wurde – den europäischen Druckereien, die Kosten für den Druck sehr viel aufwendigerer humanistischer Werke aufzubringen. Die jüngere Geschichtsschreibung zum Thema Buchdruck konnte mittlerweile umfassend belegen, dass die Druckwerkstätten des 16. Jahrhunderts dank dieser Massenproduktion ihre Existenz sichern beziehungsweise prosperieren konnten.

Ein Gutteil dieser kurzlebigen Produktion aus den frühneuzeitlichen Druckmaschinen ist nicht mehr erhalten. Ugo Rozzo hat das vor einigen Jahren aus der Sicht der Historiker, die sich mit der Frühen Neuzeit befassen, sogar als «ignoriertes Massaker» bezeichnet. Vor allem im Fall Italiens liegt das, was nicht verloren gegangen ist, mangelhaft oder überhaupt nicht katalogisiert in den Bibliotheken und Archiven. Auf diesem Gebiet hat Italien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern erheblichen Aufholbedarf. Man denke nur an Deutschland, wo die Katalogisierung, die Erforschung und mittlerweile auch die Vorhaben zur Digitalisierung dieses besonderen Schatzes an Druckerzeugnissen sehr viel weiter fortgeschritten ist, wodurch das Material für Historiker viel besser zugänglich wird.

Einer spezifischen Kategorie dieses Gebrauchsschrifttums der Druckereien, schnell veraltet und schnell vergessen, widmet sich die vorliegende Arbeit von Manuela Grillo. Die Autorin hat sich die beschreibende Katalogisierung eines Teils der Sammlung aus Verordnungen, Bekanntmachungen, Plakaten und Flugblättern aus der Zeit des Papststaates vorgenommen, die zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert datieren und die sich in der Zentralen Nationalbibliothek zu Rom (Biblioteca Nazionale Centrale di Roma) befinden. Grillos Werk ist in drei Teile gegliedert. Nach einem kurzen historischen Abriss zum Gebrauchsschrifttum ist der erste Teil der Arbeit der typologischen Analyse des Materials gewidmet, seiner Definition und der Analyse der formalen Aspekte von gedruckten Bekanntmachungen. Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Sammlung, die in der Zentralen Nationalbibliothek zu Rom aufbewahrt wird. Hierzu legt die Autorin einen Katalog über die ersten acht der insgesamt 63 Bände an, aus denen die Sammlung von gesetzlichen Verordnungen und Bekanntmachungen des Papststaates besteht, mit 1362 Beschreibungen von Schriftstücken aus den Jahren 1544 bis 1656. Im dritten Teil erörtert Grillo bibliothekstechnische, bibliothekarische und bibliografische Fragen, insbesondere die Problematik der semantischen Klassifikation.

Einer solchen Dokumentation aus gedruckten Rechtstexten wurde bislang sehr viel weniger Aufmerksamkeit zuteil als anderen Texttypen, die damals weitverbreitet waren, etwa die Balladen zu aktuellen Kriminalfällen, Berichte von Naturkatastrophen, Kriegsgedichte, astrologische Prognosen oder Almanache: alles Quellen, die in den letzten Jahrzehnten zum Standardmaterial unter den Historikern der Kultur- und Sozialgeschichte der Frühen Neuzeit geworden sind. Allerdings hat in den letzten Jahren im Rahmen der neuen Mediengeschichte zum Buch das Interesse auch an diesen juristisch-verwaltungstechnischen Medienerzeugnissen zugenommen, und zwar weit über ihre rein bibliografische und typografische Bedeutung hinaus. In der Tat sind diese Quellen für die Historiker von unschätzbarem Wert bei der Erforschung von Macht und ihrem Auftreten im öffentlichen Raum. Aus Sicht der Geschichte der politischen Kommunikation handelt es sich hier um Material, das die multimediale Natur der frühneuzeit- lichen Gesellschaft belegen kann: Noch bevor man den geschriebenen Text als Plakat an die Mauern klebte, wurde er beim Schall der Trompete angekündigt und vom Ausrufer laut vorgetragen, sodass ihn auch die nicht alphabetisierte Bevölkerung verstehen konnte. Dieses öffentliche Vorlesen des geschriebenen Gesetzestextes bezeugt ein weitverbreitetes Phänomen der Neuzeit, nämlich die Interaktion zwischen Schriftkultur und oraler Kultur.

Gerade aufgrund ihrer öffentlichen Dimension sind die Verordnungen und amtlichen Verkündungen einzigartige Zeugnisse, die eine umfassende Rekonstruktion der Modalitäten ermöglichen, über die die weltlichen und die kirchlichen Behörden das Leben der Menschen regulierten. Das betrifft die Vorschriften für Karnevalsmasken ebenso wie die Erhebung von Steuern auf Weizen, die Reglementierung des Glücksspiels genau wie die Bestrafung der Häretiker. In der Gesellschaft des Ancien Régime sind diese Bekanntmachungen direkter Ausdruck der Regierungsgewalt: «In den amtlichen Verkündungen, die die italienischen und europäischen Städte tapezierten, drückte sich der Wille aus, in die grundlegenden Aspekte des Lebens und der Entwicklung jeder städtischen Gemeinschaft einzugreifen, durch die soziale Kontrolle und die Repression». Über den rein bibliothekarischen Wert hinaus bieten die Materialien, die die Arbeit von Manuela Grillo ans Licht geholt hat, Historikern einen einzigartigen Blick auf das Alltagsleben im Papststaat der Frühen Neuzeit.

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