Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

42, 2016/2

Andrea Giorgi - Stefano Moscadelli - Diego Quaglioni - Gian Maria Varanini (ed.)

Il notariato nell’arco alpino

Review by: Rossella Ioppi

Editors: Andrea Giorgi - Stefano Moscadelli - Diego Quaglioni - Gian Maria Varanini
Title: Il notariato nell’arco alpino. Produzione e conservazione delle carte notarili tra Medioevo ed età moderna
Place: Milano
Publisher: Giuffrè
Year: 2014
ISBN: 978-88-14-20379-4

Reviewer Rossella Ioppi

Citation
R. Ioppi, review of Andrea Giorgi - Stefano Moscadelli - Diego Quaglioni - Gian Maria Varanini (ed.), Il notariato nell’arco alpino. Produzione e conservazione delle carte notarili tra Medioevo ed età moderna, Milano, Giuffrè, 2014, in: ARO, 42, 2016, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2016/2/il-notariato-nellarco-alpino-produzion-rossella-ioppi/

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Die interdisziplinäre Studientagung zum Thema Notariat, die 2011 von der Universität Trient, der Fondazione Cassa di Risparmio di Trento e Rovereto und der Fondazione Bruno Kessler organisiert wurde, gab Archivaren und Mediävisten, Historikern, die sich mit der Geschichte der Institutionen befassen, und Rechtshistorikern die Gelegenheit, sich drei Tage lang intensiv auszutauschen. Der reichhaltige Tagungsband, erschienen in der Reihe «Studi storici sul notariato italiano», enthält sämtliche Vorträge. Sie alle beschäftigen sich mit der Erstellung und Aufbewahrung von notariellen Dokumenten in einem bestimmten Territorium, dem alpinen Raum, und in einer bestimmten Zeitspanne, zwischen Mittelalter und Neuzeit. Diesen Raum-Zeit-Bezug begründet Diego Quaglioni in seinem Eröffnungsvortrag mit der Aufgabe, die wechselseitige Bezüglichkeit von Notariats- und Archivgeschichte über lange Zeiträume vergleichend zu erforschen. Der einführende Vortrag des Notars Paolo Piccoli befasst sich mit einem besonders aktuellen Aspekt des Archivwesens: dem elektronischen Dokument und der damit verbundenen Problematik, Echtheit, Integrität, Unveränderbarkeit, Lesbarkeit und dauerhafte Aufbewahrung zu garantieren.

Die Reihe der Beiträge eröffnen Andrea Giorgi und Stefano Moscadelli mit ihrem detaillierten Überblick über die Organisation der Notariatsarchive und der Notare in Italien von der Frühen Neuzeit bis zur Zeit nach der nationalstaatlichen Einigung. Die strukturellen Maßnahmen zur Reorganisation der Archive des Notariatsschriftgutes, wie sie zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert eingeführt wurden, haben rückwirkend einen einheitlichen Umgang mit diesem Material vorgegeben, der mit den höchst unterschiedlichen Traditionen der notariellen Dokumente in den Staaten des Ancien Régime kaum vereinbar war. Diese Beobachtung veranlasst die Autoren, eine «Geografie der Aufbewahrung» der Notariatsarchive von der Frühen Neuzeit bis zum Ende des 18. Jahrhunderts anzulegen.

Auf diesen eher allgemein gehaltenen Beitrag folgen achtzehn Aufsätze, die jeweils spezifische Aspekte der Grundthematik behandeln, wobei sie in ihrer Abfolge eine geografische Bewegung von West nach Ost vollziehen.

Thematisch eng verknüpft sind die beiden Beiträge, die sich mit der Situation in den Territorien des Hauses Savoyen befassen. Elisa Mongiano rekonstruiert die gesetzlichen Richtlinien der savoyischen Politik zum Thema Archivhaltung. Sie beschreibt die Kontrollmaßnahmen der staatlichen Macht zwischen Mittelalter und Neuzeit im Hinblick auf die Aufgaben der Notare. Diese Kontrollmaßnahmen sollten in erster Linie die Erhaltung des Schriftguts durch fest geregelte Vorgaben bei ihrer Übertragung von Notar zu Notar garantieren. Leonardo Mineos Beitrag führt dieses Thema fort. Er legt dar, wie die gesetzlichen Maßgaben zur Aufbewahrung von notariellem Schriftgut – von der Einführung des Systems der Anmeldung 1610 bis zur Notariatsordnung im 18./19. Jahrhundert – als ein permanenter Versuch zu verstehen sind, Kompromisse zwischen öffentlichem und privatem Interesse, hier dem der Notare, zu finden.

In den beiden folgenden Beiträgen verlagert sich der Fokus auf die Lombardei. Marta Luigina Mangini analysiert die Vorgänge und Normen, aber auch die Besonderheiten der Regelungen von Erstellung, Ablage und Verwahrung der notariellen Imbreviaturen im Raum Como zwischen dem 12. und dem 16. Jahrhundert. Der Beitrag von Rita Pezzola befasst sich dagegen mit der Analyse der formalen Charakteristiken der quaterni imbreviaturarum im Veltlin, in Bormio und im Valchiavenna; Schwerpunkt bilden die Heftungen, die sich «als ‘scrinia parlanti’ von Imbreviaturen» offenbaren (S. 204). Besondere Aufmerksamkeit richtet die Autorin auf die Übermittlung der Protokolle von einer polizentrischen Form der Aufbewahrung hin zu einem Gesamtarchiv, am Beispiel des 1807 eingerichteten Notariatsarchivs des napoleonischen Département de l’Adda.

Die zahlreichen Beiträge, die sich dem Raum Tirol-Trient widmen, beginnen mit der Arbeit von Giuseppe Albertoni, der sich mit dem Tiroler Notariat im Mittelalter und seiner historiografischen Erforschung zwischen den beiden Weltkriegen befasst. Mit wenigen Ausnahmen zeichnet sich die damalige Geschichtsschreibung dadurch aus, dass sie unter dem scharf polarisierenden Einfluss der entgegengesetzten Nationalismen stand und dass damals bei den italienischen und den österreichischen Mediävisten unterschiedliche historiografische Traditionen vorherrschten.

Der Beitrag von Hannes Obermair konzentriert sich auf die Stadt Bozen. Dort beginnt sich im späten 12. Jahrhundert das Notariat in der Stadt und im Umkreis zu verbreiten, im 13. Jahrhundert erreicht es seinen Höhepunkt, anschließend setzt ein unaufhaltsamer Niedergang ein, der sich bis ins 15. Jahrhundert fortsetzt. Allerdings bietet sich dem Notar ein Ausweg aus dieser Krise, indem er im Dienst der Kanzleien der örtlichen Verwaltungsorgane an der Niederschrift der öffentlichen Schriftstücke beteiligt wird.

Dem deutschsprachigen südlichen Tirol ist der Beitrag von Angela Mura gewidmet, der die Phasen, in denen die Verfachbücher zwischen dem 15. und dem 16. Jahrhundert aufkommen und sich konsolidieren, nachzeichnet, ein Prozess, der die notariellen Aufgaben innerhalb der Kanzleien der Tiroler Gerichte schrittweise zurückdrängt. Dabei bezieht die Autorin auch die Justizorgane für die Zeit bis zu deren Reformen im 19. Jahrhundert in ihre Betrachtung ein, ebenso wie die Tradition und die Erhaltung der Archive der Tiroler Gerichte zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert.

Bei der Annäherung an den Raum Trient befasst sich Emanuele Curzel ausführlich mit der Ernennung der Notare durch den Bischof im 12. und 13. Jahrhundert, was gleichzeitig einen Blick auf die noch kaum bekannte bischöfliche «Kanzlei» im Trient des 12. Jahrhunderts erlaubt. Gian Maria Varanini hingegen stellt das Trienter Notariatskolleg in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in den Mittelpunkt seiner Untersuchung: Er zeichnet seine Anfänge nach sowie seine Konsolidierung – mit Verspätung im Vergleich zu den anderen Zentren in Nord- und Zentralitalien –, dafür gelangt es zu einem bewussteren Selbstverständnis seiner Rolle, «wenn auch immer in grundsätzlicher Abhängigkeit vom Fürstbischof» (S. 487).

Franco Cagol bleibt in der Region und folgt in seinem Beitrag (der mit einem wertvollen Anhang versehen ist) anhand zahlreicher Belege den verschlungenen Wegen der Notariatsarchive im Trentiner Raum, und mit ihnen auch der gerichtlichen Dokumentation. Das betrifft den Zeitraum vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, in dem systematisch Neuordnungen vorgenommen wurden, die auf die Maßnahmen zum Archivwesen während der napoleonischen Zeit zurückzuführen sind.

Weiter geht es mit dem Beitrag von Maria Teresa Lo Preiato. Die Autorin stellt zunächst die Ergebnisse ihrer Inventaraufnahme vor, die sie mit Stefania Stoffella zusammen am Dokumentenbestand des Archivio Pretorio durchgeführt hat, das teils im Archivio di Stato di Trento teils im Archivio storico del Comune di Trento aufbewahrt wird. Hinzu kommt die Rekonstruktion der Bestände der juristischen Bibliothek, die dem Trienter Amtsrichter zur Verfügung gestanden hatte. Auch der Beitrag von Stefania Stoffella befasst sich mit dem Archivio Pretorio und dem darin aufbewahrten gerichtlichen Schriftgut.

Die drei folgenden Beiträge beschäftigen sich mit dem Raum Ampezzo und dem Gebiet von Feltre und Belluno. Dazu untersucht Silvia Miscellaneo die spezifische Urkundenerstellung zwischen Ende des 16. und Ende des 18. Jahrhunderts: im Gebiet von Ampezzo durch Notare, während es im Raum Livinallongo Aufgabe des Gerichtsvikars war, die privatrechtlichen Verträge in entsprechenden Kanzleiregistern einzutragen. Daniela Bartolini hingegen beschäftigt sich mit den Vorgängen, die zur Bildung des Bestands Notarile, im Staatsarchiv von Belluno geführt haben: von der polizentrischen Verwahrung, wie sie im Ancien Régime üblich war, bis hin zum Prozess der Konzentration der notariellen Archive im Laufe des 19. Jahrhunderts. Diesen Zyklus vervollständigt Irene Angelini mit ihrem Porträt des Notars Domenico Sacello aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, eines Dichters und Humanisten aus Belluno.

Schließlich wird das Gebiet des Friaul ins Visier genommen. Reinhard Härtel befasst sich mit dem Notariat im nördlichen Adriaraum und stellt eine vergleichende Analyse der diplomatischen Eigenschaften von Dokumenten an, das im Hochmittelalter nördlich und südlich der Ostalpen erstellt wurde.

Der Analyse der Notariatsregister des Patriarchen von Aquileia und ihrer archivalischen Überlieferung gilt der Beitrag von Miriam Davide, während die Arbeit von Paolo Cammarosano, mit der der Tagungsband schließt, die Einrichtung der Vicedominaria vorstellt. In der Stadt Triest wurde es im 14. Jahrhundert obligatorisch, die Niederschrift des urkundlichen Schriftwerks sowohl öffentlicher als auch privater Natur auf diesem öffentlichen Amt vornehmen zu lassen. Damit begann der Prozess, der zu einer klaren Trennung der Rollen von Notaren und Vicedomini führen sollte, von notarieller Formalisierung und öffentlicher Registrierung.

Bei der abschließenden Diskussionsrunde, an der Marcello Bonazza, Giorgetta Bonfiglio Dosio, Gian Giacomo Fissore und Attilio Bartoli Langeli teilnahmen, kamen interessante Ansätze zur weiteren Vertiefung der aufgeführten Themen zur Sprache, worauf allerdings in diesem Rahmen nicht weiter eingegangen werden kann. Dank des weiten Spektrums der Forschungsansätze und ihrer hohen Qualität ist dieser Sammelband ohne Frage wichtig für die geschichtswissenschaftliche Erforschung des Notariats im alpinen Raum und somit ein unverzichtbarer Bezugspunkt für jeden, der an diesen Themen weiterarbeiten wird.

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