Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

42, 2016/2

Michele Di Donato

I comunisti italiani e la sinistra europea

Review by: Giovanni Bernardini

Authors: Michele Di Donato
Title: I comunisti italiani e la sinistra europea. Il PCI e i rapporti con le socialdemocrazie (1964-1984)
Place: Roma
Publisher: Carocci
Year: 2015
ISBN: 978-88430-7817-2

Reviewer Giovanni Bernardini - FBK-ISIG e European University Institute

Citation
G. Bernardini, review of Michele Di Donato, I comunisti italiani e la sinistra europea. Il PCI e i rapporti con le socialdemocrazie (1964-1984), Roma, Carocci, 2015, in: ARO, 42, 2016, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2016/2/i-comunisti-italiani-e-la-sinistra-europ-giovanni-bernardini/

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Die politikgeschichtliche Forschung in Italien hat in den letzten Jahren bemerkenswerte methodologische und qualitative Fortschritte gemacht, was ihr auf internationaler Ebene eine Vorreiterrolle eingebracht hat. Dies betrifft insbesondere die Geschichte des Parteiensystems der Prima Repubblica, der sogenannten «Ersten Republik», sowie der politischen Kräfte, die das System ausmachten; eine Geschichte, die eine konstruktive und erfolgreiche Öffnung gegenüber Europa und dem Rest der Welt bezeugt. Gleichzeitig konnte sie das Interesse internationaler Wissenschaftler – obschon die Sprache teilweise nach wie vor ein Hindernis darstellt – wecken, die die europäische Tragweite der italienischen Politik und die wechselseitige Beeinflussung zwischen Letzterer und den Wandlungsprozessen in Europa verstehen wollen. Die Erfahrung der kommunistischen Partei Italiens nimmt dabei aus mindestens drei Gründen zwangsläufig eine vorrangige Rolle ein: ihr Wählerreservoir, das sie für lange Zeit zur größten kommunistischen Partei des Westens machte; ihre ungewöhnliche Situation, stärkste Opposition zu sein, sich aber aufgrund landesinterner sowie internationaler Bedingungen nie zu einer demokratischen Regierungsalternative entwickelt haben zu können; die internationale Relevanz ihrer Strategien und ihrer Wandlungsprozesse.

Die Forschungsarbeit von Michele Di Donato ist vor allem deshalb interessant, weil sie diese drei Aspekte genauer untersucht und sich dabei auf eine in Italien und im Ausland besonders extensiv diskutierte Fragestellung konzentriert: die dialektische Beziehung zwischen dem PCI und dem Kosmos der sozialdemokratischen Parteien Europas vor allem in der mehr als zwei Jahrzehnte andauernden Phase ab Beginn der Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Wer mit diesem Thema vertraut ist, weiß, dass es noch bis in jüngste Zeit Gegenstand von Debatten bis hin zu polemischen Kontroversen war. In erster Linie ging es darum, ob in jener Phase authentische Überzeugungen oder eher zweckorientierte Absichten hinter den Zielsetzungen der verschiedenen Akteure standen, und welche Auswirkungen ihre Beziehungen tatsächlich auf die italienische und auf die europäische Linke hatten. Angesichts dieser Fragestellungen hat Di Donato den einzig sinnvollen Weg eingeschlagen, um Licht in diese Debatte zu bringen: eine so noch nicht da gewesene, intensive Beschäftigung mit den Primärquellen. Sie hat ihn in die Archive der sozialistischen Parteien und der Arbeiterparteien Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands geführt, zu Quellen, die von der Sozialistischen Internationalen viel zu lange vernachlässigt worden sind, zu Unterlagensammlungen, die von privaten internationalen Stiftungen aufbewahrt werden, sowie natürlich zum gigantischen Dokumentenbestand des PCI selbst, der sich in der Obhut des Istituto Gramsci in Rom befindet und dort eingesehen werden kann. Auf mehr als 250 Seiten präsentiert der Autor seine Forschungsergebnisse, anhand derer sich die ganze Komplexität des Themas erfassen lässt – allgemeiner gehaltenen und politisch orientierten Darstellungen gelingt dies in der Regel nicht.

Das erste Kapitel zeichnet das internationale Szenarium nach, in dem die Thematik der Untersuchung anzusiedeln ist: der Kalte Krieg, der geopolitische und ideologische Konflikt, der die schon über hundert Jahre alte Konfrontation zwischen dem reformistischen und dem revolutionären Weg, von der Sozialdemokratie beziehungsweise vom Kommunismus verkörpert, wieder aufleben ließ. Dabei gelingt es Di Donato überzeugend, darin die Vorbedingungen für einen Dialog auszumachen, der in jenen Jahren vorsichtig einzusetzen begann: die Unzufriedenheit eines großen Teils der sozialdemokratischen Parteien Europas sowie des PCI angesichts einer internationalen Ordnung, die ihre Bestrebungen nach politischem Aufstieg und dem Erringen der Regierungsmacht blockierte. Die beiden folgenden Kapitel konzentrieren sich auf das zunehmende Interesse beider Ausrichtungen, in einen konstruktiven Dialog zu treten, im Rahmen einer neuen ideologischen Offensive vonseiten der europäischen Sozialdemokraten, die ihre Chance auf Regierungsbeteiligung in vielen europäischen Ländern gekommen sahen. Entgegen den Erwartungen ist der Eindruck, den man gewinnt, weniger der einer «Entprovinzialisierung» der Geschichte des italienischen Kommunismus, wie sie schon von anderen Autoren beschrieben worden ist, als vielmehr der einer «Entprovinzialisierung» des Images der Sozialdemokratie – kompakt und mit einem starren internen Gleichgewicht –, wie es über lange Zeit in der italienischen Geschichtsschreibung vorgeherrscht hat. Zu Beginn der Sechzigerjahre fand also – innerhalb der nie erloschenen ideologischen Kontroverse – zunehmend ein Dialog Gehör, der das gemeinsame Ziel der internationalen Entspannung verfolgte, den beide als notwendige und einzige Strategie ansahen, um Europa angesichts des Konfliktes der beiden Blöcke zu «enteisen» und dem Kontinent eine freiere Entwicklung im progressiven Sinne zu ermöglichen. An diesem Punkt angelangt, setzt sich Di Donato (in den Kapiteln 5 und 6) mit den wesentlichen Missverständnissen der vorherigen Einschätzungen auseinander. Der Dialog und die konvergierenden Ansichten über die internationale Lage reichten eben nicht aus – auch wenn sich die Anführer der italienischen Kommunisten das erhofft hatten –, die weitgehende Übereinstimmung der Ansichten zwischen PCI und Sozialdemokraten als selbstverständlich anzuerkennen; ebenso wenig unterstützten die Sozialdemokraten die konkreten Regierungsbestrebungen der Kommunisten. Als der PCI in Folge der sogenannten Strategie des «historischen Kompromisses» an der Schwelle der Macht angelangt war, erhielt die Partei nicht die erhoffte internationale Unterstützung. Im Gegenteil, der italienische Fall wurde vielmehr Teil eines umfassenderen Konfliktes innerhalb der europäischen Sozialdemokratie: zwischen den wenigen, die in anderen Ländern (allen voran Spanien und Portugal, die um die Rückkehr zur Demokratie kämpften) vergleichbare Kollaborationen unterschiedlicher linker Ausrichtungen anstrebten, und denen, die die möglichen Schäden einer «Legitimierung» des Kommunismus als demokrati- sche Regierungsmacht für das internationale Gleichgewicht fürchteten. Vor allem aber verdeutlicht Di Donatos Untersuchung eine programmatische Divergenz hinsichtlich der Wirtschafts- und Sozialpolitik, die in der vorherigen Phase nicht überbrückt worden war, zwischen der sozialdemokratischen Ausrichtung, die vor allem durch die Führungsrolle der deutschen Sozialdemokraten bestimmt wurde, und dem Programm der westlichen Kommunisten: eine Divergenz, die sich durch die Unterschiedlichkeit der Antworten auf die Wirtschaftskrise zu Beginn der Siebzigerjahre noch vergrößerte. Ähnliche Unterschiede wurden auch beim Vergleich ihrer europapolitischen Strategien deutlich, von dem Moment an, als sich der Generalsekretär der Kommunisten, Enrico Berlinguer, zum Fürsprecher des sogenannten «Eurokommunismus» machte (Kapitel 4). Sicherlich befürwortete ein Gutteil der sozialdemokratischen Bewegung die Aussicht auf ein definitives Ende der kommunistischen Abschottung und des übermäßigen Einflusses der Sowjetunion; das bedeutete aber nicht, dass ein möglicher Zusammenschluss der westlichen Kommunisten nicht auch als Bedrohung empfunden wurde, und das angesichts der bevorstehenden ersten Direktwahlen zum Europaparlament, was die Sozialisten dazu drängte, ihre internen Spaltungen zu überwinden, um sich der europäischen Wählerschaft als eine kohärente und glaubwürdige Gruppe zu präsentieren.

Die Phase des Dialogs musste also zwangsläufig bald wieder abflauen, als sich mit dem Ende der Siebzigerjahre nahezu zeitgleich sowohl ein Wählerschwund beim PCI als auch eine politische und programmatische Schwächung der Sozialdemokratie (noch vor ihrem Wählerschwund) abzuzeichnen begann. Den Hintergrund dazu bildete die plötzliche und fatale Krise der internationalen Entspannung, die ja für den Dialog, wie zuvor erwähnt, die eigentliche Motivation und Zielsetzung geliefert hatte (Kapitel 7 und 8). Diese Schlussphase spielte sich in einem Europa ab, das an der Schwelle zu den epochalen Veränderungen im Laufe der Achtzigerjahre stand und in dem sich alle politischen Akteure gezwungen sahen, ihre Programme neu zu definieren. Ob und wie das realisiert wurde und wie weit sich diese komplexe Debatte zwischen italienischem Kommunismus und europäischer Sozialdemokratie ausgewirkt haben mag, lässt sich wohl eher anhand der Aktualität verifizieren als in einer historischen Rekonstruktion. Das nimmt der Untersuchung von Di Donato nichts, vielmehr stellt sie gerade deswegen eine exzellente Lektüre nicht nur für die wissenschaftlichen Kollegen dar, sondern für jeden, der den langen Weg der europäischen Linken von der Nachkriegszeit bis heute jenseits der üblichen Gemeinplätze nachvollziehen möchte.

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