Reviewer Émilie Delivré
CitationGiuseppe Monsagrati, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Rom La Sapienza und Spezialist für den Kirchenstaat, hat sich in seinen Studien mit dem gesamten 19. Jahrhundert in Italien beschäftigt und ist dabei auf Persönlichkeiten wie Garibaldi oder Mazzini eingegangen, ohne jedoch die außerhalb Italiens liegenden Regionen oder die komparatistische Perspektive zu vernachlässigen.
Mit dem Anspruch, die unbekannten, unerwarteten und revolutionären Ereignisse zu untersuchen, die den Kirchenstaat im Jahr 1849 erschütterten, fügt sich das hier zu besprechende Werk demnach folgerichtig in diese Linie. Eingehend werden die politischen, religiösen, diplomatischen, militärischen und kulturellen Entwicklungen nachgezeichnet, die zur Flucht des Papstes und der schnellen Verkündung der römischen Republik am 9. Februar 1849 führten, aber auch jene, die den schnellen Fall des jungen Staates herbeiführten.
Das Buch ist in neun Kapitel unterteilt und enthält ferner eine Einleitung, eine umfassende Bibliographie und ein Namensregister. In der Einleitung wird die Flucht des Papstes nach dem Mord am ersten Minister Pellegrino Rossi dargelegt.
Im ersten Kapitel («Due anni di speranze») geht der Autor einen Schritt zurück, um zu verstehen, was den Papst zu diesem extremen Schritt bewegte. Er zeigt den schnellen Wandel des öffentlichen Ansehens des Papstes auf: Von einem liberalen Pontifex an der Spitze Italiens und Leitfigur einer eventuellen zukünftigen Einigung, wurde er zu einem exkommunizierenden und intransigenten Kirchenfürsten. Im zweiten Kapitel, das dem Buch seinen Titel gibt («Roma senza il Papa») analysiert der Autor einige historiographische Fragen hinsichtlich der lokalen politischen Klasse und der von außen kommenden Mitglieder. Er beschreibt die ersten allgemeinen (nur für Männer zugänglichen) Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung, die den Papst dazu brachten, Drohungen und Exkommunikationen auszusprechen. Dies begründete eine fundamentale Politisierung des römischen Volkes durch «politische Katechismen», Aufführungen und Versammlungen, die durch die Teilnahme einer oft als unpolitisch und unreif angesehenen Bevölkerung einen gewissen Wahlerfolg nach sich zog. Presse und Gruppenbildung sind also Motoren der Revolution.
Der Verfasser stellt hier eine tiefe Kenntnis seiner Quellen unter Beweis, er forscht der Provenienz jedweder politischen Erklärung nach, fragt nach Ehrlichkeit und/oder Ambiguität, um ein genaues Bild der festlichen Atmosphäre wiederzugeben, welche die Geburt der Republik umwitterte. Im dritten Kapitel («Roma repubblicana») beschreibt der Autor die neue Verfassungsgebende Versammlung und ihre Arbeit: Das «Italien des Volkes» ist auf den «Ruinen des Italiens der Caesaren» und «der Päpste» erbaut und beruft sich eher auf das Antike Rom als auf jenes der Jahre 1798/99, das als zu französisch und zu wenig originell angesehen wird. Die republikanischen distanzieren sich sofort von den kirchlichen Institutionen. Monsagrati beschränkt sich nicht nur auf den Bereich der politischen Ideen und Institutionen, er untersucht auch hier und dort die finanziellen Problematiken und ihre militärischen Auswirkungen. In einem vierten Kapitel («Fondare la nazione da Roma») wird die außenpolitische Lage der jungen Republik (und die Unmöglichkeit, Rom und die Toskana, Venedig und Sizilien zu vereinen) als der Faktor angegeben, der die italienischen Bestrebungen vieler Republikaner einschränkte. Das exekutive Triumvirat (Mazzini, Aurelio Saffi und Carlo Armellini) konnte die Abdankung von Karl Albert von Piemont nach seiner Niederlage gegen die Österreicher und das (vorläufige) Ende des Einheitstraumes lediglich zur Kenntnis nehmen.
Am ersten April brachte eine Konferenz in Gaeta, dem Exilort des Papstes, Gesandte aus Österreich, Frankreich, dem Königreich beider Sizilien und Spanien an einen Tisch. Das Frankreich von Louis Napoleon sah von oben auf die seiner Meinung nach unreife römische Republik herab. Man begann ein mehrdeutiges diplomatisches Spiel und ließ in Missachtung von Artikel V. der Verfassung aus dem Jahr 1848 («Elle … n’entreprend aucune guerre dans des vues de conquête, et n’emploie jamais ses forces contre la liberté d’aucun peuple») seine Truppen in Civitavecchia landen.
Im fünften Kapitel («L’inizio delle ostilità») wird der Stolz der Römer beschrieben, den Invasoren zu beweisen, dass die Italiener im Unterschied zur landläufigen Meinung «kämpfen» («Gli italiani si battono»), um die «römische Identität» zu verteidigen, und zwar gleich welcher Ideologie sie anhängen (sowohl für die Einheit und die Republik, als auch für die Monarchie), gleich welchem Geschlecht sie angehören (die Frauen nahmen an den Kämpfen teil), ungeachtet ihrer sozialen Herkunft und trotz der Reibungen zwischen dem Autodidakten Garibaldi und dem «Kriegswissenschaftler» Carlo Pisacane. Im sechsten Kapitel («Giorni della tregua») nimmt Monsagrati die Verhandlungen mit dem französischen Gesandten Ferdinand de Lesseps (der den Suez-Kanal erbauen wird) zum Ausgangspunkt, um die komplexen Verflechtungen der französischen Innenpolitik (es standen Wahlen bevor) mit der römischen Republik aufzuzeigen. Mazzini weiß genau: Wenn die römische Republik «am Leben bleibt, werden sie die französische Republik nicht vernichten können». Doch die politische Lage in Frankreich radikalisiert sich bis hin zum neuen Angriff durch Général Oudinot, wie im siebten Kapitel aufgezeigt wird («Presagi di capitolazione»). Mit dem gescheiterten Aufstand der französischen Linken am 13. Juni fällt die letzte Unterstützung des republikanischen Roms. In Gaeta ist die Atmosphäre immer weniger liberal. Den Preis zahlt der Theologe Antonio Rosmini, der nach Monsagrati das Opfer einer «epochalen Krise» der katholischen Welt wurde. Die Verhandlungsoption wird immer unwahrscheinlicher, die Kämpfe verstärken sich und die Zahl der Opfer steigt (es fallen Andrea Aguyar, der «Moro di Garibaldi», der Lombarde Manara, der zumindest «mit Anstand die 48er beenden» will, der Dichter Mameli), Kunstwerke werden zerstört. Am Ende bitten die Vertreter der auswärtigen Mächte um mehr Mäßigung seitens der Franzosen. Im zehnten Kapitel schließlich kommt es zur kompletten Isolierung, Lebensmittelknappheit und Müdigkeit, und am 30. Juni «gibt die Republik auf»: Général Oudinot hat letztendlich Rom «von der Freiheit» befreit und jenen «Wurmfortsatz des Jahres 1848» entfernt. Die am 3. Juli feierlich verkündete Verfassung entsteht also postum. «L’ultimo atto della Repubblica roamana» beschreibt diese erstaunliche und originelle Verfassung sowie die Debatten, welche ihre Verschriftlichung begleiten.
In diesem letzten Kapitel tritt die gesamte Sympathie des Autors für diese Verfassung deutlich hervor, die so fundamental und systematisch ist, niemals weitschweifig (im Unterschied beispielsweise zur französischen Verfassung vom 4. November 1848), sondern immer ehrlich und würdevoll bleibt. Ihr «wäre es gelungen, das Verfassungsdenken im Europa des 19. Jahrhunderts auf die höchste Ebene der Demokratie zu tragen». Aus dem Buch spricht das noch heute im Autor verankerte Gefühl einer wahrhaften Ungerechtigkeit, die ihm zufolge von der französischen Historiographie nicht genug wahrgenommen wird. Anhand der Protagonisten der römischen Republik, die Monsagrati lange behandelt, zeichnet der Autor das engagierte Portrait eines tiefgreifenden republikanischen Zwischenspiels vor der Rückkehr einer reaktionären Restauration nach. Für den Verfasser allerdings ist es keine vergebene Mühe, sondern es handelt sich um ein wahrhaftes Experimentierfeld der Demokratie, nicht nur für Rom, sondern auch für Italien.
Neben der Qualität des Buches sind auch einige kritische Punkte zu benennen. Der Enthusiasmus verleitet den Autor teilweise dazu, die Unterstützung der Republik durch das Volk etwas parteiisch darzustellen, ebenso wie die antiklerikalen Ausschreitungen: Seine Sympathien sind sehr deutlich! Die Dynamiken der Volksfrömmigkeit und der Fundamentalpolitisierung werden kaum theoretisch reflektiert. Dadurch geht die Frage danach etwas unter, wie die Bevölkerung Roms so einfach dazu gebracht werden konnte, erstmals an den völlig neuen Wahlen teilzunehmen. Werden die diplomatischen Verhältnisse gut dargelegt, so werden allerdings keine Vergleiche mit ähnlichen Phänomenen der Jahre 1848-49 angestellt, die vielleicht den Eindruck von Einzigartigkeit des römischen Phänomens etwas abgemildert und es dem Leser aber erlaubt hätten, das Außergewöhnliche an den Bewegungen des «Frühlings der Völker» (sei es jener des Jahres 1848 oder jener des Jahres 1849) besser zu verstehen. Dann aber wäre das Buch wahrscheinlich nicht so mitreißend, sein Stil nicht so elegant und seine Lektüre nicht so fließend ausgefallen.