Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

41, 2015/2

Elena Bonora

Aspettando l’imperatore

Review by: Massimo Rospocher

Authors: Elena Bonora
Title: Aspettando l’imperatore. Principi italiani tra il papa e Carlo V
Place: Torino
Publisher: Einaudi
Year: 2015
ISBN: 978-88-06-21760-0

Reviewer Massimo Rospocher - FBK-ISIG

Citation
M. Rospocher, review of Elena Bonora, Aspettando l’imperatore. Principi italiani tra il papa e Carlo V, Torino, Einaudi, 2015, in: ARO, 41, 2015, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2015/2/aspettando-limperatore-principi-italia-massimo-rospocher/

PDF

Elena Bonora erzählt in diesem Buch die Geschichte einer unerfüllten Hoffnung. Es geht um das vergebliche Warten auf die Ankunft des Kaisers auf der Halbinsel als Gegengewicht zur Macht des Papstes. Der Ruf nach ihm durchzieht die Geschichte Italiens seit Dante Alighieri und ertönt besonders laut in jener Zeit, als Karl V. den Kaiserthron und Paolo Farnese den Papstthron besteigen.

Der Band zeigt die Existenz eines «kaiserlichen Italien» in den 30er und 40er Jahren des 16. Jahrhunderts auf, das stark gegen das «Italien des Papstes» gerichtet war. Diese Opposition beruft sich auf den Dualismus zwischen Guelfen und Ghibellinen, der in den vorangegangenen Jahrhunderten das politische Leben auf der italienischen Halbinsel bestimmt hatte (wie es kürzlich Serena Ferente in einer Monographie aufgezeigt hat). Die kaiserliche Partei bestand in einem ausdifferenzierten Netzwerk aus Botschaftern und Ministern Karls V., wie etwa dem schlauen Diego Hurtado de Mendoza, ferner aus mächtigen Kardinälen an der Spitze dynastischer Staatsgebilde, wie Ercole Gonzaga und Innocenzo Cibo, zudem aus italienischen Fürsten wie dem jungen Herrn von Florenz, Cosimo de’ Medici, und schließlich aus einflussreichen Amtsträgern in Bistümern und Staatsgebilden unter Kardinalsherrschaft, wie dem zynischen und hemmungslosen Benedetto Accolti. Bonora beschreibt eine Welt, in der Botschafter, Literaten und Kirchenmänner sich über die Werke der Alten austauschen, um aus ihnen Lehren für die Politik der Gegenwart zu ziehen und somit das humanistische Ideal in die Tat umzusetzen. Das konkrete Ziel dieser Männer bestand in der Errichtung eines umfassenden neuen politischen Kräfteverhältnisses in Italien, in dem das Papsttum in seinen politischen Ansprüchen beschnitten und auf seine spirituelle Mission beschränkt werden sollte.

Aus historiographischer Perspektive betrachtet, wird durch das Aufzeigen einer ungebrochenen Treue dieser Partei zum Kaiser seit seiner Wahl im Jahr 1519 der Sacco di Roma des Jahres 1527 als epochaler Wendepunkt relativiert. Der Zug der Landsknechte Karls V. bedeutet also keinen glatten Schnitt in der Geschichte des Papsttums in Italien. Noch in den Vierzigerjahren träumten die Anhänger der pro-habsburgischen Partei in der Tat davon, Karl V. werde die Hauptstadt des Kirchenstaates mit Waffen erobern und besetzen. Als Konsequenz dessen geht aus den Aussagen der Zeitzeugen klar hervor, dass die Italienischen Kriege (Guerre d’Italia) mit dem Sacco zweifelsohne nicht endeten. Sie dauerten hingegen an, in Gestalt von Verschwörungen sowie diplomatischen und militärischen Konflikten. Dem vorliegenden Buch gelingt es auf diese Weise, eine einheitliche Interpretation für eine Reihe von Morden und Komplotten zu geben, welche die politische Landschaft in den Dreißiger- und Vierzigerjahren des 16. Jahrhunderts prägten. Man denke beispielsweise an den tödlichen Anschlag auf den Tyrannenmörder Lorenzino de’ Medici, der durch Karl V. persönlich angeordnet wurde, wie Stefano Dall’Aglio es nachgewiesen hat.

Ein analytisch bedeutsames Element, das durch den vorliegenden Band verdeutlicht wird, ist die untrennbare Einheit von Politik und Religion im Italien des 16. Jahrhunderts. Besonders evident ist die Verflechtung während der Pontifikate der Renaissance, wie etwa dem des «kriegerischen Papstes» Julius II. oder den auf ihn folgenden Medici-Pontifikaten, zu einem Zeitpunkt also (der Mitte des Jahrhunderts), als nicht nur über das politische Schicksal Italiens, sondern auch über die Reformierbarkeit der Kirche entschieden wurde. Unter den Protagonisten des vorliegenden Werkes erscheint die Figur des Ercole Gonzaga, eines Kardinals und gleichzeitig Herrschers des kleinen Fürstentums Mantua, als perfekte Inkarnation der Verschmelzung von Politik und Religion. Oft haben die beiden Aspekte das Entstehen von parallelen historiographischen Traditionen begünstigt. Diese werden von Elena Bonora meisterhaft zusammengeführt, um die politischen und religiösen Dimensionen des Konflikts zwischen den höchsten geistlichen und weltlichen Autoritäten darzulegen.

Grundlage der Untersuchung ist eine äußerst reiche Basis an unedierten Dokumenten, hauptsächlich sind es Briefwechsel. Es ist dies sowohl in Form als auch in Substanz eine außerordentliche Quellengattung, auch angesichts der ironischen und kryptischen Sprache, in der die Briefe verfasst sind. Die Akteure beschrieben sie als «unsere Grammatik» («il nostro gramuffo»). «Die Schreiber gaben vor, ein Spiel zu spielen. So betrieben sie Politik unter dem Deckmantel der Literatur» (S. 16), mit einer Sprache, die auf chiffrierten Zeichen, biblischen und literarischen Bezügen, kodierten Worten und Pseudonymen für die Protagonisten der beschriebenen Inhalte bestand. Karl V. ist Samson, aus Paul III. wird Zerberus oder Polyphem, die Kardinäle sind Zyklopen, Rom hingegen ist die Höhle oder die durch Oger (den Papst) bewachte Spelunke.

Die Privatkorrespondenz der Anhänger der kaiserlichen Partei ist mit den satirischen und schmähenden Tönen der Pasquinaten aufgeladen, wie an der langen Reihe von Epitheta und Beschimpfungen deutlich wird, mit denen der jeweils aktuelle Papst belegt wird. Der Kampf zwischen dem «Italien des Papstes» und dem «Italien des Kaisers» wird auf unterschiedlichen Ebenen ausgefochten: auf jener von Politik und Religion, aber auch auf jener der Kommunikation. Und gerade in der Sphäre der Kommunikation eröffnet sich eine öffentliche Dimension des geheimen und latenten Krieges zwischen Karl V. und Paul III. Ein Verdienst dieses Buches liegt darin, dass die Autorin es versteht, nicht nur die geheimen Ränke aufzudecken, welche die Offensive der kaiserlichen Partei in Italien auszeichneten, sondern auch ihre Auswirkungen auf die zeitgenössische Öffentlichkeit nachzuweisen. Dies wird durch die Untersuchung der beißenden antipäpstlichen Pamphlete deutlich, die am Hochpunkt der Auseinandersetzungen gedruckt wurden, aber auch an den Worten und Bildern, welche während der italienischen Reise Karls V. (1535-1535) bis an die Spitze der Halbinsel verschickt wurden. Die Autorin analysiert sie in Kenntnis der neuesten Entwicklungen der Kommunikationsgeschichte, indem sie die Dimensionen des Öffentlichen und des Privaten verknüpft und die unterschiedlichen Medien untersucht, die zur Verbreitung von Informationen und Deutungen beitrugen (die Handschriften, die gedruckten Werke und mündliche Diffusion).

Verlieren Ereignisse wie der Sacco di Roma in der Darstellung vieles von ihrer epochemachenden Bedeutung, so gewinnen andere hingegen deutlich an Gewicht im Hinblick auf die politische und religiöse Geschichte des 16. Jahrhunderts. Das Buch schließt mit dem Konklave des Jahres 1549 nach dem Tod Pauls III., einem Ereignis, das für den universalistischen Traum Karls V. ebenso das Ende bedeutete wie für die politischen Aspirationen der pro-habsburgischen Partei, die in internen Streitigkeiten unterging. Darin bestand die wahre Zäsur, die epochemachende Wende für das Schicksal des christlichen Europas. Mit diesem Fehlschlag gingen auch die Reformbestrebungen innerhalb der Kirche von Rom unter. Die Niederlage besiegelte den Sieg des «päpstlichen Italien» über das kaiserliche. Der lange ersehnte Kaiser kam nicht mehr.

Subscribe to our newsletter

Partners