Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

39, 2013/2

Susanna Peyronel Rambaldi

Una gentildonna irrequieta

Review by: Andrea Vanni

Authors: Susanna Peyronel Rambaldi
Title: Una gentildonna irrequieta. Giulia Gonzaga fra reti familiari e relazioni eterodosse
Place: Roma
Publisher: Viella
Year: 2012
ISBN: 978-888334-926-3

Reviewer Andrea Vanni

Citation
A. Vanni, review of Susanna Peyronel Rambaldi, Una gentildonna irrequieta. Giulia Gonzaga fra reti familiari e relazioni eterodosse, Roma, Viella, 2012, in: ARO, 39, 2013, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2013/2/una-gentildonna-irrequieta-giulia-gonza-andrea-vanni/

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Die Biographie von Giulia Gonzaga (1513-1566), einer herausragenden Repräsentantin der «Peripherien des bereits peripheren Mantuaner Staates» (S. 33), erlaubt es der Autorin, von einer bevorzugten Stellung aus eine Epoche umfangreicher Veränderungen in der Geschichte des 16. Jahrhunderts in Italien nachzuzeichnen (S. 17) und sich gründlich in ihre speziellen Eigenheiten zu vertiefen. Das Buch konzentriert sich einerseits auf Aspekte und Dynamiken politischer Art, von der beginnenden Marginalisierung der kleinen norditalienischen Fürstentümer in Folge der italienischen Kriege und dem sich daraus ergebenden Autonomieverlust – ein Vorspiel auf die endgültige Behauptung der spanischen Macht auf der italienischen Halbinsel –, und parallel dazu auf den schwierigen Prozess der Normalisierung des Königreichs Neapel; sowie andererseits auf religiöse Fragen, die von der endgültigen Niederlage der Reformationsbewegungen und der durchgreifenden Etablierung des Inquisitionsapparates bestimmt werden.

Sehr interessant ist die Rekonstruktion der Netzwerke und Verbindungen der verschiedenen Zweige des Hauses Gonzaga, die die Autorin, anhand neuerer historiographischer Erkenntnisse über die Beteiligung aristokratischer Frauen an Prozessen zum Machterhalt der eigenen Familie, an den Dynamiken und Strategien verbunden mit politischen Loyalitätswechseln und Treuebrüchen und ganz allgemein an den gesellschaftlichen Veränderungen beschreibt. Die Autorin beginnt mit der Neapolitanerin Antonia dal Balzo, der Frau des Stammvaters der Herzöge von Sabbioneta, Gianfrancesco Gonzaga, und Großmutter von Giulia und beleuchtet vor allem die entscheidende Rolle der Frauen der Dynastie darin, die Erhaltung des Lehenbesitzes sicherzustellen. In einem von «horrende guerre» heimgesuchten Italien zwangen die langen oder – noch schlimmer – endgültigen Abwesenheiten der meist mit dem Kriegshandwerk beschäftigten Ehemänner die Ehefrauen, sich nolens volens um Verwaltung und Familienführung, Pflege und Erziehung der Kinder, Aufbau und Unterhalt dauerhafter politischer Bindungen, die den Schutz und Zuwachs von Ländereien, Gütern und Titeln sichern sollten, zu kümmern. Diese Strategien waren jedoch nicht selten kurzlebig, unterbrochen vom Witwendasein, das sie über kurz oder lang heimsuchte.

Giulia Gonzaga hatte den Ruf, eine wunderschöne Frau zu sein; wie eine vom Himmel herabgestiegene Göttin beschrieb sie Ludovico Ariost in seinem «Rasenden Roland». 1526 heiratete sie Vespasiano Colonna, Herzog von Traetto und Graf von Fondi. Nach nur zwei Jahren Ehe verwitwet, hatte die Edelfrau trotz andauernder Vorsichtsmaßnahmen und der Unterstützung von Familienangehörigen, Politikern und Prälaten über ihre Lehensgüter eine «sehr prekäre» Macht (S. 90), wie die Autorin hervorhebt, indem sie den dramatischen Angriff auf Fondi durch den osmanischen Korsaren Barbarossa mit der schwierigen Affäre vor dem Hintergrund des Todes von Kardinal Ippolito de Medici verknüpft, mit dem sie eine enge Beziehung unterhielt.

Nachdem sie 1535 nach Neapel in den Konvent von San Francesco delle Monache übergesiedelt war (von wo aus sie jedoch weiter die Politik ihrer Familie verfolgen konnte), erlangte Giulia in der verwickelten Streitsache in der Erbangelegenheit, die sie gegen ihre Stieftochter Isabella austrug, die Unterstützung von Juan de Valdés, dem Beauftragten von Kardinal Ercole Gonzaga. Vor dem Hintergrund der Einsamkeit, die durch die Sorgen um die Zukunft ihres kleinen Neffen Vespasiano, Sohn ihres Bruders Luigi Rodomonte, verstärkt wurde, entstand zwischen Giulia Gonzaga und Juan Valdés, der unter dem Schutz von Kaiser Karl V. zu Beginn der dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts nach Italien gekommen war, um der ‘Aufmerksamkeit’ der spanischen Inquisition zu entgehen, eine intensive geistige Beziehung (Giulia wurde sehr schnell als seine beste Schülerin angesehen, die Bevorzugte, ein «Maßstab für die anderen» (S. 151)). Diese Beziehung war, zwischen der Lektüre der Paulusbriefe und der Aufforderung, den Reichtum an «innerer Frömmigkeit» zu pflegen, durch eine graduelle Entwicklung mit klaren nikodemitischen Akzenten hin zur «Beherrschung der ‘Affekte’ und ‘Lüste’ des Geistes» (S. 120) gekennzeichnet.

Wie in Genua und Venedig und in schwächerer Form auch in Rom, erscheint Neapel in den dreißiger Jahren von einer intensiven religiösen Unruhe erfasst, die sich nicht immer innerhalb der Grenzen der doktrinären Orthodoxie bewegte und in den Klöstern und Brüderschaften eine dermaßen starke Verbreitung fand, dass sich der bereits frühzeitig mit dem Kampf gegen den antirömischen Dissens beschäftigte Gian Pietro Carafa gezwungen sah, seine treuen Theatiner in das Königreich zu entsenden (S. 118). In diesem Zusammenhang signalisierte die berühmte Predigt von Benardino Ochino im Jahr 1536, die Valdés den Anstoß gab, die spirituelle Erziehung von Giulia in formeller Weise anzugehen (S. 119), einerseits den Beginn der Verfolgungen des Sieneser Kappuziners und andererseits die Vorboten des ersten Drucks auf die Schüler des spanischen Reformators, die bislang eine führende Rolle in der Bruderschaft der Bianchi della Giustizia gespielt hatten.

Von diesem Moment an verband sich die Geschichte von Giulia Gonzaga, gut von der Autorin dargestellt, auf verschlungene Weise mit derjenigen von anderen berühmten Aristokraten und Aristokratinnen, niederen und hohen Geistlichen, Frommen und weiteren hochrangigen Persönlichkeiten der Gesellschaft Italiens, die sich mit der Lehrautorität Valdés verbunden sahen, und entwickelte sich inmitten «der Spannungen und des Klimas von Erwartung und Hoffnung, der Kritik an der kirchlichen Autorität, von Projekten der Erneuerung», die die Halbinsel in den Jahren zwischen der ersten und zweiten Jahrhunderthälfte kennzeichneten (S. 18). Dies brachte die in den vierziger Jahren die von Carafa selbst erneuerte römische Inquisition dazu, ihre Netze enger um den «weltlichen Adel und die Geistlichen ganz Italiens» zu spannen (S. 166). Um 1552 konzentrierte sich das Interesse des Heiligen Offiziums auch auf Giulias Aktivitäten (Gonzaga «machte sich über Anklagen lustig, und führte ihre kulturelle Minderwertigkeit als Frau an», S. 324). Nach ihrem Tod 1566, während des Pontifikats von Pius V., beschlagnahmten die Inquisitoren ihre Korrespondenz und bereiteten damit – dank auch der Beteiligung von Cosimo I. Medici den Prozess vor, der zur Hinrichtung des Florentiner Protonotars Pietro Carnesecchi führen sollte. Dieser hatte die Mantuaner Adelige in «die heilige Lehre und das Gespräch von Valdesio» eingeführt. Damit wurde die Bewegung endgültig unterdrückt.

Wie die Autorin in ihren Schlussfolgerungen unterstreicht, verlief das Leben von Giulia Gonzaga parallel zu einer Transformation der italienischen Gesellschaft, die im Verlauf von etwa 50 Jahren von einer massiven antiklerikalen Spannung, typisch für das frühe 16. Jahrhundert, bis zur endgültigen Unterwerfung des weltlichen Adels unter die kirchliche Autorität reichte, die die «herrschenden italienischen Klassen im Tausch für eine Allianz mit der Kirche als langfristige Stabilitätsgarantie akzeptierten» (S. 326). Auf der Strecke blieben dabei die fruchtbaren Ansätze einer Erneuerung der Doktrinen und, damit weitgehend einhergehend, der Religion, die sich für eine kurze Zeit Dank der aktiven Teilnahme von Laien und der Vorherrschaft der Frauen entfalten konnten. Diese Ansätze mündeten nach der Unterdrückung und der Kontrolle durch die Inquisition dennoch «in vielen individuellen Erfahrungen mit grundsätzlich verschiedenen Ergebnissen trotz der bisweilen gemeinsamen Ursprünge» (S. 323).

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