Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

39, 2013/2

Antonio Varsori

L’Italia e la fine della guerra fredda

Review by: Gabriele D’Ottavio

Authors: Antonio Varsori
Title: L’Italia e la fine della guerra fredda. La politica estera dei governi Andreotti (1989-1992)
Place: Bologna
Publisher: Il Mulino
Year: 2013
ISBN: 978-88-15-24425-3

Reviewer Gabriele D’Ottavio

Citation
G. D’Ottavio, review of Antonio Varsori, L’Italia e la fine della guerra fredda. La politica estera dei governi Andreotti (1989-1992), Bologna, Il Mulino, 2013, in: ARO, 39, 2013, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2013/2/litalia-e-la-fine-della-guerra-fredda-gabriele-dottavio/

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Drei Jahre nach der Veröffentlichung seines wichtigen Bandes über Italien und den Aufbau Europas La cenerentola d’Europa? L’Italia e l’integrazione europea dal 1947 a oggi (Rubbettino 2010) veröffentlicht Antonio Varsori ein weiteres Buch über die jüngere Geschichte der italienischen Außenpolitik. Dieses Mal jedoch ist die Analyse auf eine kürzere, für die Geschichte Italiens und der internationalen Beziehungen aber höchst wichtige Periode begrenzt. Es handelt sich um die letzten drei Jahre des Kalten Krieges, eine Phase, die sich vom Fall der Mauer bis zum Vertrag von Maastricht erstreckt und sich – im Zeitraum vom Juni 1991 bis Juli 1992 – mit der Amtszeit der 6. und 7. Regierung Andreotti deckt.

«Wie reagierte Italien auf die Ereignisse, die eine radikale Veränderung der internationalen Politik brachten? Hatten diese Ereignisse möglicherweise einen entscheidenden Einfluss auf die Krise der ‘Parteienrepublik’? Gab es von Seiten der politischen Führung Italiens ein hinreichendes Verständnis für die Auswirkungen, die das Ende des Kalten Krieges für das Land brachten? War der Vertrag von Maastricht wirklich der Sprengstoff, der die erste Republik zum Einsturz brachte?» (S. 14). Der Autor nimmt sich vor, auf diese Fragen eine überzeugendere und grundlegendere als die bislang hierzu vorgeschlagenen Deutungen zu liefern, indem er neue Dokumente in die Analyse mit einbezieht und sich vor allem einer erst seit wenigen Jahren zugänglichen Originalquelle bedient: des Nachlasses des Senators Giulio Andreotti, aufbewahrt im Institut Luigi Sturzo in Rom. Der Autor ist sich der Problematik und insbesondere der Einseitigkeit dieser Quelle bewusst. Varsori hütet sich in der Tat nicht nur davor, übereilte und zu definitive Aussagen zu den Überzeugungen des christdemokratischen Staatsmannes zu äußern. Durch gebührende Rücksicht auf den sich dauernd wandelnden internationalen Kontext und die Einbeziehung anderer entscheidender Verantwortlicher, unter diesen insbesondere Außenminister Gianni de Michelis, Finanzminister Guido Carli und die sogenannten «Techniker», meist der italienischen Zentralbank, Banca d’Italia, zugehörig oder dieser wenigstens nahe stehend, wie Carlo Azeglio Ciampi und Tommaso Padoa-Schioppa, vermeidet er es zudem, die italienische Außenpolitik nur aus Sicht eines einzelnen Politikers heraus zu rekonstruieren.

Die Analyse von Varsori bestätigt die in der existierenden Literatur vorherrschende Meinung zu dieser Thematik, die davon ausgeht, dass das Ende des Kalten Krieges in entschiedem Maße zur Krise des politischen Systems Italiens beigetragen habe, reichert diese aber durch eine stärkere Objektivität und vor allem neue Interpretationsansätze an. Besonders interessant sind die Überlegungen zu den destabilisierenden Folgen des Golfkrieges und der Jugoslawien- und Albanien-Krise auf die italienische Innenpolitik. Dem Autor zufolge waren die aufgrund dieser drei internationalen Krisen innerhalb der öffentlichen Meinung auftretenden Differenzen keine schlichten Meinungsverschiedenheiten über zufällige Themen der Außenpolitik. Sie spiegelten vielmehr die Verstärkung neuer Bruchlinien innerhalb des politisch-sozialen Systems, wie man die neu entstehende internationale Realität zu interpretieren habe, wider. In diesem Kontext schreibt der Autor der Neuausrichtung der italienischen katholischen Welt große Bedeutung zu, innerhalb welcher in einigen Unterströmungen eine vage anti-westliche und drittweltorientierte Berufung zum Vorschein kam, hauptsächlich in einen Dialog mit einer nicht mehr kommunistischen und nicht mehr von der Existenz der Sowjetunion bestimmten Linken zu treten. Die Democrazia Cristiania jedoch schien diese Veränderung nicht zu begreifen, da sie sich darauf beschränkte, das Ende des Kommunismus als eine Art von «Geschenk» zu betrachten, welches die Kommunistische Partei Italiens automatisch in die Krise bringen müsste. Im Gegenteil jedoch eröffnete das Ende des Kalten Krieges der nicht-kommunistischen Wählerschaft die Möglichkeit, nicht mehr für die traditionellen Parteien auf Basis einer schlichten Stimme «dagegen» zu stimmen. Diesbezüglich ist die Parallele eindrucksvoll, die der Autor zwischen Deutschland und Italien bezüglich der Bedeutung des Endes des Kalten Krieges zieht. «Wenn das Ende des Kalten Krieges in Deutschland mit dem Fall der Mauer und einem komplexeren und schwierigeren als anfänglich im November 1989 erhofften Wiedervereinigungsprozess zusammenfiel, bedeute das Ende des Kommunismus auch in Italien den Fall einer Mauer, freilich keiner physischen aber einer genauso realen und wichtigen psychologischen Mauer, die fünfzig Jahre lang das Land geteilt und dessen politische Agenda bestimmt hatte. Die erste Republik und ein Großteil ihrer politischen Führung wurden vom Fall dieser Mauer mit hinweg gerissen» (S. 245).

Weiterhin stellten solche Ereignisse nicht nur scheinbar festgefügte Loyalitäten innerhalb des Parteiensystems und, genereller, innerhalb der Gesellschaft in Frage, wodurch sie die politischen Gleichgewichte innerhalb des Landes destabilisierten, sie trugen auch dazu bei, die Verhandlungsposition der italienischen Regierung im Verlauf der Maastrichter Verhandlungen substantiell zu schwächen, wo es am Ende vor allem dem inzwischen wiedervereinigten Deutschland gelang, seine Positionen geltend zu machen, indem es sowohl sein Modell einer Zentralbank mit einer anti-inflationären Ausrichtung als auch wirtschaftlich und fiskalisch rigorose Konvergenzkriterien durchsetzte, um die Inflationsunterschiede zwischen den Mitgliedsländern zu reduzieren und die weniger tugendhaften unter diesen zu einer rigiden Haushaltsdisziplin in Hinblick auf die Endphase der Währungsunion zu zwingen. Hier entwickelt der Autor einige der Thesen, die er bereits im Band von 2010 dargelegt hatte, indem er alle Mängel und Grenzen eines Landes und vor allem einer Klasse an Politikern aufzeigt, die nicht imstande waren, sich in die Machtbeziehungen einzufügen, die die verschiedenen «Motoren» der europäischen Einigung antrieben. Obwohl es eine weitverbreitete Überzeugung innerhalb der führenden Klasse Italiens um die Notwendigkeit gab, die europäische Integration bezüglich der eigenen internationalen Position und nationalen Interessen zu gestalten, gab es laut Varsori nur wenige Politiker, die verstanden, dass die «äußere Bindung» von Maastricht deutlich straffer war als diejenige, die 1978 mit dem Europäischen Währungssystem akzeptiert worden war. Die Überlegungen zu einer Wirtschafts- und Währungsunion banden sich tatsächlich von Seiten Europas an die Akzeptierung eines mit einem strikten Regelwerk verbundenen internationalisierten globalisierten Wirtschaftssystems, das von den wirtschaftlich stärkeren Nationen geführt werden würde, unter diesen an erster Stelle von Deutschland und eben nicht von supranationalen Organen, wie die Kommission und Italien gehofft hatten. Der Autor geht sogar noch über die These einer «verpassten Gelegenheit» hinaus. Laut ihm mangelte es grundsätzlich innerhalb der herrschenden Klasse und der Gesellschaft an einer vertieften Debatte zu den Gründen weshalb Italien einen Vertrag unterschreiben sollte, der sich im Verlauf der Zeit als ein nicht immer adäquates Instrument für die Wahrung der nationalen Interessen Italiens erweisen sollte. In diesem Kontext werden vom ihm sowohl die Betonung eines mehr proklamierten als praktizierten Europäismus, als auch die einzigartige Einstellung der politischen Führungsschicht Italiens betont, ein maßloses Vertrauen in die eigenen Kapazitäten zu besitzen, die Situationen zur eigenen Gunst zu wenden, dessen ungeachtet aber sich bei auftretenden Schwierigkeiten den «Technikern» anzuvertrauen.

Damals jedoch liefen die Dinge nicht wie erhofft, bis hin zu dem Punkt, so schließt Varsori in den letzten Zeilen seines Buches, dass «die politische Klasse der ersten Republik, vor allem innerhalb der Regierung, dermaßen europäisch war, dass sie nicht nur einen substantiellen Teil der Souveränität des Landes aufgab, sondern auch auf diese Weise, entscheidend vom Ende des Kalten Krie- ges befördert, die Zerstörung des von ihnen selbst seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges aufgebauten politischen Systems mit begünstigte».

Letztlich bietet der Band von Varsori nicht nur eine punktgenaue Rekonstruktion der auswärtigen Politik Italiens in einer entscheidenden Phase der Geschichte der internationalen Beziehungen, sondern er bietet auch ein tiefgreifenderes Verständnis für die Umstände des Untergangs des in der Nachkriegszeit entstandenen politischen Systems Italiens, und damit für die Gründe der dramatischen Geburt einer zweiten Republik.

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