Annali dell'Istituto storico italo-germanico | Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts

38, 2012/2

Riccardo Brizzi

L’uomo dello schermo

Review by: Christine Vodovar

Authors: Riccardo Brizzi
Title: L’uomo dello schermo. De Gaulle e i media
Place: Bologna
Publisher: Il Mulino
Year: 2010
ISBN: 978-88-15-14728-8

Reviewer Christine Vodovar

Citation
C. Vodovar, review of Riccardo Brizzi, L’uomo dello schermo. De Gaulle e i media, Bologna, Il Mulino, 2010, in: ARO, 38, 2012, 2, URL https://aro-isig.fbk.eu/issues/2012/2/luomo-dello-schermo-de-gaulle-e-i-medi-christine-vodovar/

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Die de Gaullesche Republik stellt insgesamt ein außergewöhnlich gutes Studienobjekt dar, um das Verhältnis zwischen Politik und Medien zu erforschen, insofern sie ein Moment der fundamentalen Veränderung war, was die Prozesse von Personalisierung der Macht und Transformation der Formen politischer Repräsentanz angeht. Obwohl es einen breiten Konsens in der Geschichtswissenschaft gibt, die in der Rückkehr General de Gaulles an die Macht im Jahr 1958 eine Wende in der Geschichte der Beziehung zwischen Medien und Politik sieht, bleiben Arbeiten, die diese Kernthematik behandeln, bis heute sehr rar und oft an Allgemeinplätze gebunden, die den Kommentaren der Zeit entnommen sind. Es macht also Mühe, den Schritt von der politischen Polemik zur tieferen historischen Analyse zu tun.

Das Ziel der Arbeit von Riccardo Brizzi ist, diese Forschungslücke zu füllen und dabei sowohl die gaullistischen Interpretationen aufzudecken, die besonders von den Erinnerungen des Generals und seiner Anhänger getragen werden, als auch die Urteile jener, die vor allem zu Zeiten de Gaulles, aber auch später, dessen Umgang mit dem Fernsehen stigmatisiert haben. Dank intensiver Archivarbeit kann die Arbeit präzisieren, worin die Rolle des Fernsehens für die Legitimation der Führung de Gaulles bestand, und zeigen, wie das Fernsehen dazu beitrug, die präsidentiale Prägung der Institutionen der fünften Republik auf lange Sicht zu verankern.

Brizzi beschäftigt sich zuerst mit der Natur der Wende, über deren Existenz kein Zweifel besteht. Es reicht aus, in Erinnerung zu rufen, wie de Gaulle innerhalb weniger Monate das Fernsehen buchstäblich «einnahm». Aus Sicht der Kontrolle des Staates über die Medien und das Fernsehen im Besonderen erscheint diese Wende jedoch insgesamt eher «formal» als «substantiell», und das aus verschiedenen Gründen. Brizzi zeigt zunächst auf, dass eine rigide Kontrolle seitens der Regierungen der vierten Republik die französische Funk und Fernsehlandschaft seit dem Ende des zweiten Weltkrieges ausgezeichnet habe, bis zu dem Punkt, dass den politischen Hauptgegnern durch die Kräfte des Systems – de Gaulle in primis – der Zugang zu den Medien verboten wurde. Diese Kontrolle wurde in der zweiten Hälfte der 50er Jahre noch verschärft. Sicherlich veränderte der General teils die Modalitäten der Kontrolle, indem er sie den Massen viel erkennbarer machte, nicht aber ihren Kern. Er selbst übte eine reale aber diskrete Kontrolle aus, mit der direkten beauftragte er andere, wie Debré. Seit den Wahlen des Jahres 1962 erlaubte er auch – selbst wenn innerhalb fest definierter Grenzen, die man sicherlich nicht als paritätisch bezeichnen kann, Vertretern der Opposition den Zugang zum Fernsehen. Trotz einer gewissen Skepsis der Politiker der vierten Republik gegenüber dem Fernsehen – sei es dadurch, dass es eine Personalisierung der Macht bewirkte, sei es durch das Unvermögen der Politiker, seine Modernität einzusehen, trugen ferner einige politische Führer wie Pinay, Mendès oder Mollet dazu bei, den Prozess der Personalisierung der Macht und der Transformation der Formen der Repräsentanz voranzutreiben und somit den Weg für eine neue Nutzung der Medien freizumachen. Diese wurde auch durch die technologischen Fortschritte ermöglicht – eine weitere Verbreitung der Fernsehempfänger insbesondere – und fand schließlich eine Öffentlichkeit vor, die neuen Erfahrungen aufgeschlossen war, auch durch den Misskredit des Parlamentarismus und die Erosion der typisch republikanischen Auffassungen von Institutionen und Repräsentativität, die jeglichen Formen der Personalisierung der Politik feindlich gegenüber standen.

In der Konvergenz günstiger Umstände und politischen Wollens bestand die Wende also vor allem in der Nutzung des Fernsehens durch den General. Dies war wie erwähnt eine bulimische Nutzung, doch sie hatte nicht das einzige, und vielleicht auch nicht das hauptsächliche Ziel, einfach einen Konsens zu erzeugen oder die Kultur zu beeinflussen. Brizzi konstatiert, das de Gaullsche Fernsehen sollte nicht so sehr als Waffe des Wahlkampfes angesehen werden als vielmehr als ein «Attribut» der Präsidentialmacht, durch das die Legitimität und die Stabilität des politischen Systems garantiert werden konnten. Nicht ohne Grund wählte de Gaulle das Fernsehen, und nicht ein anderes Medium, um sich zu erklären und/oder in Szene zu setzen, denn das Fernsehen war jenes Medium, dass ihm den unmittelbarsten Kontakt mit der Nation erlaubte. Diese Möglichkeiten veranlassten den damaligen Präsident der Republik, es zu bevorzugen, und beispielsweise nicht die Presse, zu der er ein schlechtes Verhältnis gehabt haben soll. Die Analyse der Häufigkeit und der Natur von de Gaulles Auftritten im Fernsehen, ihrer Rituale und der in ihnen benutzten Sprache zeigt die Komplexität des politischen Projektes, das den Anlass der Nutzung des Fernsehens durch de Gaulle bildete.

Von den vielen Erkenntnissen dieser Studie verdienen besonders zwei, gesondert angesprochen zu werden. Erstens: Wenn die fast totale Kontrolle der Exekutive über die durch das Fernsehen transportierten Informationen deutlich und weit reichend erscheint, so lässt sich dies gemäß den Forschungen Brizzis nicht hinsichtlich seiner konkreten politischen Effekte behaupten. Ohne natürlich zu negieren, dass die immer minutiösere und artikuliertere Kontrolle – der Information im Fernsehen – der mehrere Paragraphen gewidmet sind – Auswirkungen hinsichtlich der Schaffung von Konsens gehabt habe, scheint hingegen die Korrelation zwischen der Nutzung des Fernsehens durch die Exekutive und dem Votum der Franzosen viel unklarer, auch auf kürzere Sicht. Es entsteht ein weniger karikaturelles Bild der so sehr beklagten gaullistischen «Telekratie», und das Fernsehen erscheint tatsächlich weniger kontrollierbar als gedacht, besonders mit der französischen 68er-Bewegung und dem darauf folgenden Abgang des Generals.

Schließlich erlaubt die von Brizzi vorgeschlagene Chronologie, die vielen Auswirkungen des Verhältnisses zwischen Fernsehen und Politik auf die Entwicklung der Institutionen, des politischen Systems und der Geschichte des Gaullismus selbst. Der Autor sieht vier Hauptphasen: die Konsolidierung der Institutionen und die Durchsetzung einer präsidentialen Interpretation der Verfassung (1958-1962); die Konsolidierung der Macht de Gaulles (1962-1965); die Wahlen des Jahres 1965; und vom «französischem Mai» (1468) bis zum Rückzug de Gaulles. Insgesamt wird durch diese Einteilung gut verständlich, wie das Fernsehen innerhalb von zehn Jahren nicht nur dazu beigetragen hat, die Formen von Politik und Repräsentanz neu zu gestalten, sondern auch, wie seine Nutzung durch de Gaulle, und bald auch durch seine Anhänger und Gegner, auch das Verhältnis von Medien und Politik selbst veränderte. Als «kontrolliert» begann das Fernsehen in diesem Verhältnis den Händen dessen zu entgleiten, der, wie de Gaulle, aus ihm ein Hauptinstrument seiner Herrschaft gemacht hatte.

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