Reviewer Claudio Ferlan - FBK-ISIG
CitationDie Arbeit von Irene Fosi ist in ein Forschungsfeld einzuordnen, das besonders in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft in der letzten Zeit eine bemerkenswerte Aufmerksamkeit gewonnen hat: die Konversion. Die gewählte Perspektive ist jene der Fremden, die auf verschiedensten Wegen zur Stadt der Päpste kommen. In der Einleitung erklärt die Autorin das Ziel ihrer Analyse, die «den Wandel der römischen Konversionspolitik zwischen spätem 16. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegenüber aus Europa kommenden, durch die Häresie infizierten Fremden – insbesondere Deutschen, Engländern, Flamen, hugenottischen Franzosen – seitens der Kontrollinstitutionen der Orthodoxie und der religiösen Orden, rekonstruieren will» (S. 20). In Wahrheit wird dem 18. Jahrhundert nur sehr geringer Raum im Schlusskapitel gegeben, und beim Lesen zeigt sich, dass fast ausschließlich das späte 16. und das 17. Jahrhundert berücksichtigt werden.
Das Buch ist in drei Hauptteile zu untergliedern.
Der erste beginnt mit einer praktischen Definition des juristischen Status des Fremden in der römischen Gesetzgebung, auch im Gewohnheitsrecht («Fra norme e pratiche»). Die Autorin untersucht dann, wie die der Häresie verdächtigen Fremden Beziehungen zu den Römern knüpften, vor allem zu Gastwirten, Herbergenbesitzern und Priestern: in anderen Worten zu jenen, die, sei es unter institutionellen, sei es unter konkreten Gesichtspunkten, als erste Vermittlungsinstanz zwischen den Welten außerhalb und innerhalb der Stadtmauern beschrieben werden. Eine Erörterung der Inklusionsmöglichkeiten der konvertierten Fremden fehlt nicht: Sehr interessant erscheinen dabei die den nationalen Gemeinschaften und die Formen ihrer Organisation, Aufnahme und Unterstützung von Reisenden und Pilgern gewidmeten Paragraphen, besonders hinsichtlich der englischen Nation (Kapitel 1: «Roma patria comune?»). Im zweiten Kapitel («Non solo pellegrini: accogliere e convertire») geht Fosi detaillierter auf die einzelnen Konversionsgeschichten ein, die oft von ihren eigenen Protagonisten anhand von Stereotypen und von auf die Erwartungen der katholischen Institutionen zugeschnittenen Narrativen erzählt werden. Es sind mit Pilgerreisen und Jubeljahren verbundene Schicksale, die mit größter Aufmerksamkeit von dem Heiligen Offizium observiert wurden, dessen schwierige Aufgabe darin bestand, angesichts vielfacher Verdachte auf Falschheit und Nikodemismus die Aufrichtigkeit des Glaubenswechsels zu verifizieren.
Das zweite Hauptkapitel hingegen legt drei individuelle Konversionsgeschichten aus dem 17. Jahrhundert dar, die als exemplarisch angesehen werden, um «einige Kernpunkte des Verhältnisses zwischen den Fremden, der Stadt und ihren Institutionen, insbesondere zur Inquisition» (S. 102) zu verdeutlichen. In den Schicksalen von Cristoforo Gaspare Fischer, Johannes Faber und Guillaume Raboul (Kapitel 3-5), verbinden sich in der Tat Fragen der Erbschaft, Strategien internationaler Politik, komplexe Vermittlungen; all dies Elemente, die aus der Kontrolle des Fremden und insbesondere seines Glaubenswechsels einen interessanten Gesichtspunkt auf die römischen und europäischen Gegebenheiten des 17. Jahrhunderts machen.
Das dritte Hauptkapitel beginnt damit, den Blickwinkel über den Kirchenstaat hinaus zu weiten, um die wachsende Besorgnis hinsichtlich der zunehmenden Präsenz von Händlern, Studenten und Reisenden in verschiedenen Teilen der Apenninenhalbinsel in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nachzuweisen (Kapitel 6: «Una inquietante mobilità: stranieri eretici in Italia»). Trotz solcher Furcht (oder vielleicht gerade wegen ihr), erfährt die päpstliche Politik eine deutliche Neuorientierung mit der 1655 erfolgten Papstwahl Fabio Chigis, eines intimen Kenners der deutschen Gegebenheiten, der den Pontifikalnamen Alexander VI. annimmt. Er beschließt in der Tat ein konversionistisches Programm, das «sofort mit den gängigen (Vor-)Urteilen über die diebischen Gastwirte und Rom als Wiege der Prostitution aufräumt» (S. 183) und den wohlgeborenen und gebildeten Fremden an die Magnifizenz Roms und des päpstlichen Hofes heranführen soll. Fosi spricht davon, dass sich eine andere Ebene als am Ende des 16. und am Beginn des 17. Jahrhunderts ausbilde, «eine andere, weniger gewaltsame und persuasive Strategie» (S. 189), eine «Strategie der kulturellen Eroberung des häretischen Fremden» (S. 192), welche die Repression aufgibt, sich auch des Buchdrucks als Überzeugungsmittel bedient und den sprachlichen Barrieren neuerlich Bedeutung zumisst (Kapitel 7: «Fra intransigenza e intolleranza»). Die jeweils schwankende Aufmerksamkeit der päpstlichen Politik für Konvertiten gemäß ihrer Herkunft aus höheren oder niedrigeren sozialen Klassen wird im letzten Kapitel («Supplicare, rinchiudere, seppellire») verstärkt verdeutlicht, in dem die Autorin sich mit den Suppliken beschäftigt, die dem Heiligen Offizium von solchen Konvertiten vorgebracht wurden, die sich in ökonomischen Schwierigkeiten befanden, und ferner mit der Eröffnung des Konvertitenhospizes Ospizio dei Convertendi (1673), mit der neuen Möglichkeit, Häretiker in nicht unehrenhaften Orten zu bestatten. Nur im letzten Teil des achten Kapitels wird der Geschichte der Konversionen des 18. Jahrhunderts Raum gegeben. Sie werden vor dem Hintergrund des propagandistischen Wertes analysiert, den für das Papsttum der Glaubenswechsel Adliger, vor allem Deutscher, gewinnt.
Es muss hervorgehoben werden, dass die von Fosi gewählte Darstellungsweise dem Leser nicht immer hilft, die Auswertung der wahrlich bemerkenswerten Anzahl an Quellen nachzuvollziehen. Indem die Autorin sehr häufig Zitate bringt, um in extremer, zwar sehr präziser, aber nicht immer vollkommen wirkungsvoller Synthese die sich im Rom des 17. Jahrhunderts (und nicht nur hier) ereigneten Konversionsgeschichten zu dokumentieren, riskiert sie, den Leser in Bezug auf das historiographische Hauptproblem zu verwirren, das die Fragestellung des Buches bildet. Die Komplexität des Materials leidet teilweise an der vielleicht manchmal zu großen Mannigfaltigkeit von Informationen und Interpretationsansätzen, die die Autorin ausgewählt hat. Die Auswahl im zweiten Teil des Buches erscheint beispielsweise nicht vollständig überzeugend: Sind die drei untersuchten Fälle wie vorgegeben tatsächlich beispielhaft, so scheint der ihnen beigemessene Raum doch zu sehr beschränkt, als bestünde die Gefahr, ihre Bedeutung angesichts der sehr vielen anderen – wahrscheinlich ebenso als ‘exemplarisch’ und somit würdig, allesamt erwähnt zu werden, erachteten – Fälle zu unterschätzen, die auf anderen Seiten erwähnt werden und, so scheint es, Risiko zu laufen, redundant zu erscheinen. Abgesehen von den erwähnten Schwierigkeiten bei der Lektüre, präsentiert sich die Arbeit von Irene Fosi sicherlich als sehr akkurat und recherchiert und ihr kommt der unzweifelhafte Wert zu, die italienische Geschichtswissenschaft über nördlich der Alpen schon breit diskutierte Fragestellungen in Kenntnis zu setzen.